Foto eines Luftschiffes am Boden

Ein Rundgang durch das Luftschiff Graf Zeppelin

Am 16. Oktober 1928 landete die Graf Zeppelin nach fünf Tagen mit zwanzig Passagieren unweit von New York in Lakehurst und wurde enthusiastisch gefeiert. (Gerade einmal siebzehn Monate zuvor hatte Charles Lindbergh den Atlantik überquert.) In der Folgezeit führten Luftschifffahrten von Deutschland aus in viele europäische Hauptstädte, in die Vereinigten Staaten, die Schweiz, den Nahen Osten, ins Nordpolarmeer und nach der spektakulären Weltfahrt 1929 schließlich auch nach Südamerika.

Gemälde mit Zeppelin vor Bergen
Luftschiff Graf Zeppelin über Vaduz/Liechtenstein (1931)

Begleiten Sie die zwanzig Passagiere, die am Morgen des 25. März 1929 von Friedrichshafen aus zu einer viertägigen Orientfahrt starteten, bei ihrem Rundgang durch das Schiff. Bereits gegen Mitternacht hatten sich Kommandant Hugo Eckener mit seiner Mannschaft und den zwanzig Passagieren an Bord begeben. Der Weg ins Innere der Passagiergondel führte über ein paar Stufen einer Gangway. Eckener ließ es sich nicht nehmen, die Fahrgäste persönlich mit den Räumlichkeiten vertraut zu machen.

An Bord der Graf Zeppelin

Rechts vom Eingangsbereich der Gondel lag die kleine elektrisch betriebene Küche, ihr gegenüber die Funkkabine. Rechts davon befand sich der Navigationsraum mit dem Karten- und Gerätetisch. Die Gondelspitze beherbergte den Steuerraum mit der Kommandobrücke.

Durch eine Tür links vom Eingangsbereich der Gondel betraten die Fahrgäste den Speisesaal mit zwei bogenförmigen Schiebefenstern auf jeder Seite. Er bot Platz für zwanzig Personen, die an vier Tischen bequem sitzen konnten. Die gerafften roten Fenstervorhänge, die buntgemusterten Polstermöbel und die geblümten Wandbespannungen schienen nicht so recht zu einem modernen Luftfahrzeug zu passen, sorgten aber in ihrer plüschigen Gemütlichkeit für ein Gefühl der Geborgenheit und Vertrautheit.

Junges Mädchen in Kabine des Zeppelins
Eine der zehn Zweibettkabinen

Vom Aufenthalts- und Speiseraum gelangten die Passagiere zu den zehn Doppelkabinen, die sich rechts und links von einem Mittelgang befanden. Die Passagiere schliefen in Etagenbetten. Alle Kabinen hatten ein nach oben aufklappbares Fenster, unter dem ein kleiner Tisch angebracht war. Kleidung und Handgepäck ließen sich in einem schmalen Wandschrank verstauen. Das obere Bett wurde tagsüber vom Steward weggeklappt, so dass die Schlafkabine in ein zweckmäßig eingerichtetes kleines Zimmer mit Sofa, Tisch und einem Stuhl verwandelt werden konnte.

Hinter den Kabinen lagen die Toiletten und Waschräume, getrennt für Damen und Herren. Daran schlossen sich die Sanitärräume für Mannschaft und Offiziere an. Hier, am Ende der Gondel, befand sich der Zugang zum Rumpf des Zeppelins, wo die vierzigköpfige Besatzung untergebracht war.

Tafeln im Zeppelin

Die Fahrgäste waren nach dem Rundgang von der praktischen Aufteilung und Anlage des Ganzen überrascht. Sie spürten sofort, dass sie sich in einem Luftschiff befanden, in dem man nicht nur sicher fliegen, sondern auch bequem wohnen konnte. Sie fanden alles vor, was man für eine mehrere Tage dauernde Reise brauchte. Doch würde es der kleinen Bordküche gelingen, die Passagiere auch kulinarisch zufriedenzustellen?

Köche bei der Arbeit an Board der Graf Zeppelin
Die elektrisch betriebene Bordküche

Die Passagiere wurden nicht enttäuscht. Ihnen wurden auf edlem Porzellan exquisite Speisen gereicht:

Zum Mittag- und Abendessen servierten der Steward und seine Gehilfen Rehrücken, Forelle, Rinderfilet, Lammbraten, Hasenrücken oder zum Beispiel Paprikahuhn (natürlich mit den entsprechenden Beilagen), als Vorspeise gab es Hummermayonnaise, Kraftbrühe, Mockturtlesuppe, Bodensee-Zander oder Geflügelpastete und als Dessert Crème Karamell, verschiedene Käsesorten, Eistorte, Kleingebäck, Biskuitpudding oder Orangensalat. Dazu gehörten deutsche und französische Weine, Kaffee, Cognac und Champagner. Nur auf die anschließende Zigarette oder Zigarre musste verzichtet werden. An Bord herrschte wegen der Wasserstoff-Befüllung der Gasbehälter striktes Rauchverbot.

Manchmal leistete der Kommandant der Graf Zeppelin seinen Passagieren beim Abendessen Gesellschaft. Folgender Dialog über die Zukunft der Luftfahrt könnte sich dabei entspannt haben:

„Auf unserer Werft in Friedrichshafen entsteht zurzeit ein Luftschiff – größer, schneller und komfortabler als die ‚Graf Zeppelin‘. Es soll den Namen von Generalfeldmarschall Hindenburg tragen.“ Die Begeisterung des Luftschiffkommandanten war deutlich zu spüren. „Der neue Gigant wird ein wahres Luxushotel der Lüfte sein, mit zwei Fahrgastdecks, Promenadengängen, Restaurant, Bar und diversen Gesellschaftsräumen. Fünfzig Passagiere werden in den Doppelkabinen Platz finden. Und ab 1940 werden drei weitere Zeppeline den Dienst aufnehmen und alle Kontinente verbinden.“
„Und die Flugzeuge?“, fragte ein Passagier.
Der Kommandant winkte ab.
„Die haben nur im Kurzstrecken- und im Frachtverkehr Zukunft. Wer will sich schon für viele Stunden in eine fliegende Sardinenbüchse zwängen.“
Aus: Horst Kleinert: „Auftrag in Tarapoto. Zeppelin-Storys“ (Roman). Thurm-Verlag, Lüneburg 2021

Foto aus dem Speisesaal des Graf Zeppelin
Im Speisesaal

Viel Zeit für Muße

Die Drei-Gänge-Menüs zogen sich naturgemäß bis zu zwei Stunden hin. Die wohlige Schläfrigkeit nach dem Mittagsmahl animierte nicht wenige zu einem kleinen Schläfchen in der Kabine. Andere verbrachten die Zeit zwischen den Mahlzeiten beim Karten- oder Schachspiel, mit dem Schreiben von Postkarten, Lesen, Fotografieren, dem Notieren von Reiseeindrücken, Geplauder über Politik und Sport oder mit entspanntem Nichtstun. Ab und zu spielte ein Grammophon, oder einer der Offiziere unterhielt die Passagiere mit seiner Handharmonika. Für Hektik war in der heimeligen Atmosphäre der Graf Zeppelin kein Platz. Natürlich galt die meiste Zeit der Passagiere dem Bewundern der unter dem Schiff hinweggleitenden Landschaften, Städte und Meere. So auch bei den Orientfahrten 1929 und 1931.

Die Orientfahrten

Es waren unvergessliche Bilder, die sich im Frühjahr 1929 den Passagieren von ihren Logenplätzen am Himmel geboten hatten: das quirlige Marseille, die antiken Ruinen Roms, das von tiefblauem Meer umgebene Capri, die Rauchfahne des Vesuvs, die Weinberge Zyperns, die biblischen Wüsten Palästinas, die von der Morgensonne beleuchtete Akropolis …

Auf der zweiten Orientfahrt schwebte die Graf Zeppelin nach einer Fahrt von achtundzwanzig Stunden am 11. April 1931 kurz nach Sonnenaufgang über den Pyramiden von Gizeh, nur zwanzig Meter über den Spitzen dieser einzigen noch erhaltenen Weltwunder der Antike. An Bord war kein Ton zu hören. Niemand konnte sich der Magie dieser Begegnung mit den steinernen Zeugen einer Jahrtausende alten Kultur entziehen.

Luftschiff über der Cheops Pyramide
Die Graf Zeppelin über der Cheops-Pyramide (1931)

Nach einem kurzen Aufenthalt in Kairo überflog der Zeppelin Jerusalem. Über der Grabeskirche wurden in 100 Metern Höhe die Motoren abgestellt, und das Schiff stand für einige Minuten still. Von dort aus ging es über Albanien, Jugoslawien und Österreich zurück nach Friedrichshafen.

Reisen damals-Tipp: Museen in Friedrichshafen zur Geschichte der Luftfahrt
Zeppelin Museum
Das Zeppelin Museum Friedrichshafen informiert mit der weltweit größten Sammlung von Modellen, Originalexponaten, Filmen und Fotos über die Geschichte der Luftschifffahrt von den Anfängen bis heute. Hauptattraktion des 1996 eröffneten Zeppelin Museums ist eine begehbare originalgetreue Rekonstruktion eines Teils des Luftschiffs Hindenburg. In weiteren Ausstellungsbereichen wird die Rolle der Luftschiffe im Ersten Weltkrieg, die Geschichte der Zeppelin-Familie und die Entwicklung des Zeppelin-Konzerns erläutert.
www.zeppelinmuseum.de

Dornier Museum
Und wenn Sie schon in Friedrichshafen sind, sollten Sie Zeit für einen weiteren Museumsbesuch einplanen. Vom Zeppelin Museum fährt Sie die Buslinie 18 in wenigen Minuten zum Dornier-Museum. Direkt am Bodensee-Airport gelegen, macht es hundert Jahre spannende Luft- und Raumfahrtgeschichte erlebbar. Die einem Flugzeughangar nachempfundene Architektur beherbergt auf 6.000 qm knapp 400 Exponate, darunter zwölf Originalflugzeuge.
www.dorniermuseum.de

Reisen damals-Lesetipp: Horst Kleinert: „Auftrag in Tarapoto. Zeppelin-Storys“
Aus dem Inhalt: Unerklärliche Vorfälle gefährden in den 1930er Jahren den Luftschiffverkehr. Wer steckt dahinter? / Eine faszinierende Luftschiffreise um die Welt im Jahr 2036. Reisen Sie mit. / 2048 umkreist ein Zeppelin der NASA die Venus. Entscheidet sich hier das Schicksal der Menschheit? 185 Seiten, € 9,90, Thurm-Verlag Lüneburg (2022).
www.thurm-verlag.de
Buchcover Auftrag in Tarapoto
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Bildquellen

2 Kommentare zu „Ein Rundgang durch das Luftschiff <em>Graf Zeppelin</em>“

  1. Danke für diese fesselnde Zeitreise durch das Innere der Graf Zeppelin ! Deine detaillierte Beschreibung der Passagiergondel vermittelt ein lebendiges Bild dieser Ära des Luftschiffverkehrs. Die Atmosphäre, die während der Reisen herrschte, von den edlen Speisen bis zu den entspannten Momenten mit Blick auf faszinierende Landschaften, wird lebendig. Und die kulturellen Highlights der Orientfahrten verleihen dem Ganzen eine zusätzliche Dimension. Ein toller Einblick in eine vergangene, aber faszinierende Zeit! 🎈🛫

  2. Danke für das Lob. Hier noch eine Ergänzung zum Airlander: Bis 2025 will HAV zehn Airlander bauen, die jeweils hundert Passagiere befördern können. Die Luftschiffe sollen auf Mittelstrecken eingesetzt werden, hat das Unternehmen im Mai 2021 mitgeteilt; für lange Strecken seien sie mit rund 90 km/h zu langsam. Flugrouten seien schon geplant, etwa von Barcelona nach Mallorca, von Oslo nach Stockholm oder von Seattle nach Vancouver. Das Innere des Luftschiffs solle höchsten Ansprüchen genügen und die Fahrten zu einem genussvollen Erlebnis machen … Mal sehen, was daraus wird.

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