Titanic auf hoher See

Die Titanic. Der Untergang des größten Dampfers seiner Zeit

Was für ein gigantisches Schiff! 270 m lang und bis zur Schornsteinspitze 53 m hoch. Am 10. April 1912 konnte sich niemand am Kai von Southampton der Faszination dieses Anblicks entziehen. Rund 4.300 Dollar kostete die Reise nach Amerika in einer der großen Luxussuiten der Titanic. Nach heutiger Kaufkraft wären das über 100.000 Euro. Dafür wurde diesen begüterten Passagieren ein Komfort geboten, der im Atlantikverkehr einen neuen Standard setzen sollte. Die Reederei White Star Line wollte mit der Titanic und ihrem geringfügig leichteren Schwesterschiff Olympic die deutsche und englische Konkurrenz übertrumpfen. (Obwohl die Titanic von einem englischen Hafen aus startete, waren auch deutsche Passagiere an Bord. Ihre Zahl war gering, denn auch von deutschen Häfen aus gab es damals Direktverbindungen in die USA.)

Für die große Zahl der Auswanderer in der Dritten Klasse (mit einem Gemeinschaftsschlafsaal und Kabinen für zwei bis sechs Personen) war die Überfahrt mit umgerechnet 1.500 Euro bedeutend preiswerter als in der Ersten Klasse. Doch vier Tage nach der Abfahrt aus England, am 15. April 1912, spielten diese Unterschiede keine Rolle – oder besser gesagt, fast keine. Für alle, ob arm oder reich, ging es jetzt um Leben und Tod: Südöstlich von Neufundland war die Titanic gegen 23 Uhr 40 auf ihrer Jungfernfahrt an einem Eisberg entlang geschrammt, der sieben Meter unterhalb der Wasserlinie mehrere kleine Lecks verursacht hatte. Nach zwanzig Minuten begann die Titanic zu sinken …

Anhand der Opferstatistik wird deutlich, dass das Überleben wohl auch von der Klassenzugehörigkeit abhing. 81 Prozent der insgesamt 1514 Opfer gehörten der Dritten Klasse oder der Besatzung an, 11 Prozent der Zweiten Klasse und 8 Prozent der Ersten Klasse. Nur 710 der 2224 Personen konnten von der zwei Stunden später eintreffenden Carpathia aus den Rettungsbooten aufgenommen werden.

Wie konnte es zum Untergang der Titanic kommen?

„Eigentlich hätte das Unglück nicht passieren dürfen“, hieß es damals. (Mit den gleichen Worten wurde 26 Jahre später der Absturz des Zeppelins Hindenburg in Lakehurst kommentiert.) Doch unsinkbare Schiffe gibt es nicht; jede Konstruktion ist ein Kompromiss von Sicherheit und Funktion. Und so wurde wohl die Tragödie durch das unwahrscheinliche Zusammentreffen von Umständen verursacht, mit denen Schiffbauer, Kapitän und Mannschaft damals kaum rechnen konnten und auf die sie nicht vorbereitet waren. Zu niedrige Schottenwände? Zu wenig Rettungsboote? Eisbergwarnungen, die den Kapitän nicht erreichten? Der Funker, der sich zum Schlafen gelegt hat? Zu spätes Ausweichmanöver? Erklärungsversuche gibt es genug; hinterher ist man bekanntlich immer klüger. So führten die Erkenntnisse aus der Analyse der Katastrophe in der Folgezeit auch zu einer Vielzahl neuer Vorschriften, die den Schiffsverkehr sicherer machten.

Der Mythos lebt

Nicht nur die Dramatik ihres Untergangs hat dafür gesorgt, dass die Titanic im Gedächtnis der Menschheit verankert ist, sondern es ist auch das Design des Schiffes. Der langgestreckte, relativ niedrige Rumpf, der scharfe, nahezu senkrecht stehende Bug, das flach auslaufende Heck, die vier mächtigen Schornsteine und die zwei 46 m hohen Mastbäume verliehen der Titanic trotz ihrer Größe ein elegantes Aussehen, das sie erheblich von den heutigen klotzigen Passagierschiffen unterscheidet.

Hunderte von Büchern, drei Dutzend Filme und unzählige Produkte, Memorabilien und Werbeartikel tragen den Namen, der noch heute wie kaum ein anderer geeignet ist, Emotionen zu wecken und die Phantasie zu beflügeln. Die Titanic wird für immer ein Mythos bleiben, ein Symbol für die Unkontrollierbarkeit der Natur trotz des technischen Fortschritts.

Historische Seifendose mit Motiv der Titaic
Titanic-Seifendose

Walnusspaneele, vergoldete Geländer, Buntglasfenster, Kamine

„Die Suiten bestehen aus zwei Schlafzimmern im französischen Stil und einem Wohnzimmer. Dazwischen befinden sich ein Badezimmer und ein Ankleideraum. Das Wohnzimmer ist mit einem blauen Teppich ausgelegt und verfügt über eine elektrische Heizung.“ (Aus der Auftragsbeschreibung für die Innenausstattung der Titanic.)

Zur Ersten Klasse gehörten unter anderem Rauchsalon, Bibliothek, Speisesaal, ein „À la Carte“-Restaurant („Ritz“), zwei Cafés („Parisien“ und „Veranda-Café“), ein beheiztes Schwimmbecken, Gymnastikraum, Squashanlage, ein großes Promenadendeck und die durch den Spielfilm Titanic von 1997 berühmt gewordene Freitreppe mit der ovalen Glaskuppel. Gleich daneben gab es drei Aufzüge.

Speisesaal und Aufenthaltsräume der Dritten Klasse in den unteren der sechs Decks waren kleiner und spartanischer eingerichtet, dennoch übertraf die Ausstattung der Dritten Klasse, in der bislang ausschließlich große Schlafsäle statt Kabinen üblich gewesen waren, alle bisher gebauten Schiffe. Auch hier gab es einen offenen Deckbereich. Die Zweite Klasse entsprach ungefähr dem Komfort der Ersten Klasse älterer Passagierschiffe.

Treppe im Inneren der Titanic
Die große Freitreppe

Zwischen dem Speiseaal und dem großen Treppenhaus lag der große Empfangssaal, der als gesellschaftlicher Treffpunkt diente und in dem die Bordkapelle die Passagiere der Ersten Klasse mit heiteren Stücken unterhielt. (Ob die Musiker in der Nacht des Untergangs wirklich so lange spielten, bis sie mit den Füßen im eiskalten Atlantikwasser standen? Möglich, aber bewiesen ist das nicht. Keiner der Musiker überlebte das Unglück.)

Kabine in der Titanic
Luxuskabine in der Ersten Klasse
Fitnessraum in der Titanic
Fitnessraum für die Erste Klasse
Salon in der Titanic
Salon in der Ersten Klasse

Tafeln auf der Titanic

Die Jungfernfahrt der Titanic sollte auch in kulinarischer Hinsicht ein Jahrhundertereignis werden. Achtzig Mann versorgten in den drei Bordküchen die über 1.500 Passagiere mit 6.000 Gerichten, von Hummer Thermidor (Erste Klasse, sechs bis neun Gänge) über Filet Mignon (Zweite Klasse, vier Gänge) bis zu Spanferkel und Plumpudding (Dritte Klasse, drei Gänge).

„In der letzten Nacht speisten wir im Ritz-Restaurant. Etwas Luxuriöseres kann man sich nicht vorstellen. Die Tische waren übersät mit blassroten Rosen und weißen Gänseblümchen, die Frauen in wunderschön schimmernde Satin- und Seidenroben gehüllt, die Männer elegant und gepflegt, das Streichorchester spielte Puccini und Tschaikowsky. Das Essen war vorzüglich: Es gab Kaviar, Hummer, Wachteln aus Ägypten, Kiebitzeier, Weintrauben aus dem Gewächshaus und frische Pfirsiche. Die Nacht war kalt und klar, das Meer wie ein Spiegel.“ (Walter Douglas, Überlebender aus der Ersten Klasse.)

 Quelle: R. Archibald & D. McCauley, Das letzte Dinner auf der Titanic, Heyne Verlag, München 1997

Die drei Schiffe der Olympic-Klasse

Die Titanic war nicht der einzige große Luxusdampfer der White Star Line. Schon fast ein Jahr vor der verhängnisvollen Fahrt der Titanic hatte die nahezu baugleiche Olympic ihre Jungfernfahrt von Southampton nach New York erfolgreich absolviert. Dass die Titanic beim Stapellauf als „größtes Schiff der Welt“ gefeiert wurde, lag an ihren etwas größeren Deckaufbauten. Der umbaute Raum der Titanic betrug dadurch 46.328 BRT, die der Olympic 45.324 BRT. Im Ersten Weltkrieg wurde die Olympic für den Truppentransport eingesetzt, 1919 auf Ölfeuerung umgestellt und wieder zum Linienschiff umgebaut. In den 1920er Jahren war sie sehr beliebt und hatte viele reiche und berühmte Gäste an Bord, darunter Hollywoodstars wie Charlie Chaplin, Mary Pickford und Douglas Fairbanks. Bis zu ihrer Außerdienststellung im April 1935 hatte die Olympic 257-mal im kommerziellen Liniendienst den Atlantik überquert und dabei 430.000 Passagiere befördert.

Plakat mit der Titanic in New York
Plakat White Star Line

Die Olympic befand sich auf der Rückreise nach Europa, als sie den Notruf der Titanic erhielt. Aufgrund der Entfernung von ca. 1000 km konnte sie aber das sinkende Schiff nicht mehr rechtzeitig erreichen. Nach der Titanic-Katastrophe wurde die Olympic mit zusätzlichen Rettungsbooten, verstärkten Schotten und einer doppelten Außenhaut ausgestattet.

Das etwas später gebaute zweite Schwesterschiff der Titanic, die Britannic, war zwar auch für den Passagierdienst vorgesehen, kam aber im Liniendienst wegen des beginnenden Ersten Weltkriegs nicht zum Einsatz. Als Hospitalschiff lief sie 1916 in der Ägäis auf eine deutsche Seemine und sank.

Die White Star Line hatte nicht den Ehrgeiz, mit ihren Schiffen das sogenannte Blaue Band für die schnellste Atlantiküberquerung zu erobern. Die Schiffe waren nicht gebaut, um Geschwindigkeitsrekorde brechen zu können, vielmehr wollte man den Passagieren heftige Vibrationen und Rütteleien ersparen. So musste die Titanic entgegen späteren Vermutungen auch nicht unter Volldampf fahren. Wichtiger war es der Reederei, ihren Gästen höchstmöglichen Komfort zu bieten.

Gemälde Rauchersalon in der Titanic
Rauchersalon in der Ersten Klasse (Titanic und Olympic)
Bibliothek in der Titanic
Bibliothek in der Zweiten Klasse (Titanic und Olympic)
Gemälde des Speisesaals der Titanic
Speisesaal in der Dritten Klasse (Titanic und Olympic)
Foto der Titanic
Kolorierte Fotografie der Titanic bei der Abfahrt aus Southampton
Reisen damals-Tipp: Titanic- Dauerausstellungen

Das Titanic-Museum in Belfast
Das Titanic Belfast Museum ist eine im Jahr 2012 eröffnete Besucherattraktion, die dem Gedenken an das 1912 gesunkene Passagierschiff RMS Titanic gewidmet ist. Das Herzstück des achtstöckigen Gebäudes bildet eine Reihe von Galerien, in denen Aspekte der Konstruktion, des Baus, des Untergangs und des Vermächtnisses der Titanic dargestellt werden. Das Museum liegt auf dem Gelände der Bauwerft des Schiffes, Harland & Wolff, im sogenannten Titanic-Viertel der Stadt.
www.titanicbelfast.com

Titanic. The Artifact Exhibition in Orlando, Florida
Hier können Sie eine Sammlung von 400 einzigartigen Erinnerungsstücken und 300 Artefakten aus dem Wrack der Titanic bewundern. Auf einer Tour durch 17 Ausstellungsräume erfahren Sie Details über die dramatischen Ereignisse im April 1912. 
www.titanicorlando.com

Titanic Experience in Cobh
Von Cobh, das damals Queenstown hieß, trat die Titanic ihre letzte Fahrt an. Die Ausstellung im irischen Cobh (deutsch Cork) befindet sich im ehemaligen Ticket Office der White Star Line. Die Besucher checken sich mit einer „Bordkarte“ ein und erfahren auf einer virtuellen Reise Details über die Bedingungen in der Ersten und in der Dritten Klasse, über den Untergang und über das Schicksal der 123 Passagiere, die hier an Bord gegangen waren. Der Besuch ist mit einer Stadtführung (The Titanic Trail) kombinierbar.
www.titanicexperiencecobh.ie
Historisch gekleidete Frauen
Stilvoll gekleidete Titanic-Fans vor dem Museum in Cobh (2018). Foto: Kleinert

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