In den 1920er und 1930er Jahren fuhren Zeppeline von Deutschland aus in die Arktis und in den Orient, nach Buenos Aires, New York und Rio. Und 1929 sogar um die Welt. Die Zeit der Riesenzeppeline endete am 6. Mai 1937 in Lakehurst bei New York: Die mit entflammbarem Wasserstoff gefüllte Hindenburg geriet bei ihrem Landeanflug in Brand und krachte wie ein riesiger Feuerball auf den Boden. 35 der 97 Personen an Bord kamen bei dem Unglück um. Die goldene Zeit der großen Zeppeline schien endgültig vorbei zu sein.
Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten in einigen Technikmagazinen die Zeppeline eine Zeit lang noch weiter. Da war dann die Rede von fliegenden Hotels mit Tanzsaal, Cafés und einem Lift, der zu einem gläsernen Skyroom auf dem Dach des Luftschiffs führt, von Atomluftschiffen, von Kugelluftschiffen mit einem Durchmesser von 400 m, von riesigen Luft-Katamaranen oder von geheimnisvollen Auftriebstechnologien wie Antischwerkraft oder Vakuumzellen. Spannend, aber mit den physikalischen Gesetzen nicht immer vereinbar. Abgesehen von Heißluftballons und kleinen Prallluftschiffen für Überwachungs-, Forschungs- und Reklamefahrten waren die Zeppeline vom Himmel verschwunden – zu langsam, zu wetterempfindlich und zu personalintensiv. Dann, 2001, machte der weltweit erste Zeppelin der Nachkriegszeit seinen Jungfernflug mit Passagieren über den Bodensee.
Zeppelin NT – der Neubeginn der Luftschifffahrt
Das von der Friedrichshafener „Zeppelin Luftschifftechnik GmbH“ entwickelte High-Tech-Luftschiff Zeppelin NT(NT steht für „Neue Technologie“) ist mit 75 Metern zwölf Meter länger als ein Airbus A 330, doch nur ein Drittel so lang wie die Hindenburg. Durch die Verwendung leichter Materialien, elektronischer Steuerungssysteme und moderner Antriebsmodule ist der LZ NT allerdings wesentlich leistungsstärker, wendiger und sicherer. In seiner komfortablen Kabine im Kleinbusformat haben die zweiköpfige Besatzung und zwölf bis fünfzehn Passagiere Platz. Durch Panoramascheiben schauen die Fahrgäste aus 200 bis 300 Metern auf die Landschaft.
Die Bilanz der NT-Zeppeline kann sich sehen lassen: Fahrten über Tokio, London und San Francisco, geologische Erkundungstouren in Südafrika, Namibia oder Botswana und unzählige Ausflugsflüge über den Bodensee haben die Praxiseignung der sechs bis heute gebauten NT-Luftschiffe bewiesen. Mit seinen 75 Metern ist der Zeppelin NT zwar kein Gigant der Lüfte, aber immerhin der erste „echte“ Zeppelin der Nachkriegszeit – also kein simples Prallluftschiff („Blimp“), wie wir sie häufig als Reklameträger am Himmel sehen können. Für mehrtägige Langstreckentouren wie die Luftschiffe der Zwischenkriegszeit ist LZ-NT allerdings nicht gedacht.
Der CargoLifter – K.o für das Riesenluftschiff
Zur gleichen Zeit, als der LZ NT zum ersten Mal mit Passagieren über dem Bodensee kreiste, wurde in Brand bei Berlin der Produktionsbeginn eines Luftschiffs gefeiert, das alle bisher dagewesenen Dimensionen übertreffen sollte. Der CL-160 der CargoLifter AG war als gigantisches Luftschiff konzipiert, mit dem bis zu 160 Tonnen schwere Lasten über 10.000 km an jeden beliebigen Ort der Welt transportiert werden könnten. Und es gab auch schon Überlegungen, wie der 260 Meter lange CargoLifter für Fernreisen hätte genutzt werden können. Doch bevor der erste Prototyp aufsteigen konnte, musste die CargoLifter AG im Jahr 2002 Insolvenz anmelden – nicht etwa wegen unlösbarer technischer Probleme, sondern aus finanziellen und bis heute nicht genau geklärten wirtschaftspolitischen Gründen.
Dem Tourismus hat der CargoLifterin Brand unfreiwillig eine Attraktion hinterlassen, die jedes Jahr Zehntausende Besucher anzieht. 2004 verwandelte sich die riesige Luftschiff-Werft in ein künstliches Tropenparadies. Tropical Islandsist Europas größtes Spaßbad.
Der Airlander – die neue Luftschiff-Generation
Als das CargoLifter-Projekt beendet werden musste, hatte man in England, den USA und in Russland bereits an anderen Luftschiffkonzepten gearbeitet. Am bekanntesten und am weitesten fortgeschritten ist vermutlich das englische Airlander-Projekt der britischen Firma Hybrid Air Vehicles (HAV). Noch befindet sich das breitausladende, „Flying Bum“ genannte Luftschiff in der Testphase. Bis 2025 will man zehn Luftschiffe bauen, die jeweils hundert Passagiere befördern können. Der Airlander soll auf Mittelstrecken eingesetzt werden; für lange Strecken ist er mit rund 90 km/h zu langsam.
Vorgesehen ist ein vollelektrischer Antrieb, der nach Angaben von HAV nur zehn Prozent der CO2-Emissionen eines normalen Flugzeugs verursacht. Flugrouten sind schon geplant, etwa von Barcelona nach Mallorca, von Oslo nach Stockholm oder von Seattle nach Vancouver. Das Innere des Luftschiffs soll höchsten Ansprüchen genügen: Breite Ledersessel, bodentiefe Panoramafenster, eine Bar und Suiten zum Ausruhen werden die Fahrten zu einem genussvollen Erlebnis machen, schreibt das Unternehmen in seiner Presseaussendung (Quelle: The Guardian, 26.05.21).
Hybrid-Luftschiffe – die grünen Zeppeline
Was ist der Grund für den angestrebten Leistungssprung gegenüber den konventionellen Zeppelinen? Es sind die Vorteile des Hybrid-Prinzips: Zum statischen Auftrieb durch Gas tritt eine zweite Komponente, ein kräftiger dynamischer Auftrieb. Dieser Auftrieb wird durch den breiten Rumpf erzeugt (zwei oder drei „Zigarren“ werden zum Beispiel miteinander fest verbunden); das Luftschiff bewegt sich im Luftmeer wie eine Flunder im Ozean. Der Schub der Propeller sorgt dafür, dass über dem Luftschiffkörper wie beim Flugzeug mit seinen Flügeln eine Sogwirkung entsteht, die das Luftschiff nach oben zieht. Die Tragfähigkeit erhöht sich auf diese Weise beträchtlich.
Für den Antrieb werden statt Verbrennungsmotoren umweltfreundliche Brennstoffzellen oder E-Motoren sorgen. Schon in wenigen Jahren dürfte es darüber hinaus möglich sein, in Akkus gespeicherten Solarstrom zu nutzen, der über die Außenhülle erzeugt wird. Durch moderne Konstruktionsweisen, personalarme Digitaltechnik und neue Materialien wird im Vergleich mit der Hindenburg das „tote Gewicht“ des Schiffes um rund die Hälfte geringer sein. Entsprechend höher ist die Nutzlast. Für die Passagiere bedeutet das mehr Platz und mehr Komfort.
Neue Chancen für die Luftschifffahrt durch die Wasserstoff-Revolution
Noch gibt es eine Bremse für den wirtschaftlichen Betrieb eines Luftschiffs: Helium. Das nichtentzündliche Edelgas wird weltweit immer knapper und teurer. Für den Auftrieb eines Luftschiffs könnte, wie schon bei der Graf Zeppelin und der Hindenburg, auch Wasserstoff sorgen, doch der hat seit der Hindenburg-Katastrophe ein Imageproblem. Wasserstoff gilt als brandgefährlich. (Dass Flugzeuge hochexplosives Kerosin an Bord haben, scheint dagegen kaum einen Passagier zu stören.) Dabei kann heute dafür gesorgt werden, die Entzündung von Wasserstoff zu verhindern. Bei den Plänen, im Rahmen der Energiewende Heizungen, Schiffe, Straßen- und Schienenfahrzeuge mit Wasserstoff zu betreiben, spielen Sicherheitsbedenken jedenfalls keine Rolle.
Bereits in Kürze wird es möglich sein, „grünen“ Wasserstoff in industriellen Großanlagen mit Hilfe von Windkraft und Solarenergie CO2-neutral zu produzieren und zu speichern. Der Luftschifffahrt könnte Wasserstoff im wahrsten Sinne des Wortes damit neuen Auftrieb geben.
Der Mythos lebt, doch die Skepsis bleibt
Ob es jemals wieder Riesenluftschiffe geben wird? Zweifel sind angebracht. Es sind nicht immer die technischen Probleme, die zum Scheitern großer Projekte führen, meist ist es die Finanzierung. Investoren stehen nicht gerade Schlange, wenn es um Geschäftspläne mit ungewissen Renditeaussichten geht. Doch wer weiß, vielleicht überraschen uns die derzeit aktiven Luftschiffbauer eines Tages mit spektakulären Erfolgsmeldungen. Nicht wenige Experten sind sich sicher: Mit superleichten Materialien und hybriden Antriebstechnologien ließen sich wunderbare Zeppeline bauen, die Touristen in alle Winkel der Welt bringen könnten – klimaneutral, komfortabel und sicher. Der Traum des Grafen von Zeppelin und seiner Jünger vom sanften Schweben über ferne Länder, Städte und Meere ist jedenfalls noch nicht zu Ende.
Reisen damals-Lesetipp: „Traumreisen mit dem Luftschiff. Aufstieg, Fall und Rückkehr der Zeppeline“ Der Autor Horst Kleinert beschreibt die Anfänge der zivilen Luftschifffahrt und ihre große Zeit bis zu ihrem jähen Ende am 6. Mai 1937. Dabei steht nicht die Technologie im Vordergrund, sondern das Reiseerlebnis für die Passagiere. Außerdem widmet sich das Buch der Frage, ob ein Neuanfang der touristischen Luftfahrt mit innovativen Großraum-Zeppelinen denkbar ist. Thurm-Verlag, Lüneburg (2017), 164 Seiten, € 14,90.www.thurm-verlag.de
Bildquellen
- Zeppeline2: Bild: Horst Kleinert | All Rights Reserved
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- Zeppeline4: Ralf Roletschek via Wikimedia Commons | GNU Free Documentation License 1.2
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- Zeppeline6: Philbobagshot via Wikimedia Commons | CC0 1.0 Universal
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