Albert Ballin, Zeichnung von C.W. Allers.

Albert Ballin: Der Mann, der 1891 das Kreuzfahrtgeschäft erfand

Der 23. Mai 1912 ist der Höhepunkt im Leben von Albert Ballin (1857 bis 1918). Es ist der Tag der Schiffstaufe „seines“ Dampfers – des damals größten Passagierschiffs der Welt. Am Kai des Hamburger Hafens steht neben Ballin Kaiser Wilhelm II., gekleidet in schmucker Admiralsuniform, und tauft den Koloss auf den Namen Imperator. Tausende Schaulustige rufen „Heil“, die Menschen werfen ihre Hüte in die Luft, eine Kapelle spielt die Nationalhymne. Ballin ist stolz, der Kaiser nennt ihn seinen Freund. Er, der „Emporkömmling“, hat es geschafft.

Foto des Passagierschiffes Imperator vor der Skyline von New York
Das Passagierschiff Imperator vor New York

Aus kleinen Verhältnissen heraus hatte sich Albert Ballin zum Chef der Hapag hochgearbeitet – eine Karriere, die im Kaiserreich viel Bewunderung, aber bei Hamburger Kaufleuten auch antisemitisch geprägte Missgunst hervorrief. Bereits mit siebzehn begann Ballin in der finanziell klammen Agentur seines Vaters Auswanderungswilligen Zubringerpassagen nach Großbritannien zu vermitteln. Schon wenige Jahre später wollte er sich nicht mehr mit dem Vermakeln begnügen und stieg ins direkte Geschäft mit den Emigranten ein. Zusammen mit einem englischen Partner ließ er zwei Frachter zu reinen Auswandererschiffen umbauen; die Frachträume dienten jetzt als Mehrzwecksäle für rund sechshundert Passagiere. Anders als die Auswanderer, die verborgen vor den Herrschaften in der Ersten und Zweiten Klasse in den engen Zwischendecks der Luxusdampfer reisten, hatten sie Zugang zu offenen Decks. Auf der Rückfahrt über den Atlantik transportierten die beiden Schiffe Frachtgut. Ballin gelang es damit, die Preise der Konkurrenz für die Atlantikpassage deutlich zu unterbieten.

Alte Werbetafel von Hapag mit Dampfschiff und Dampflok
Die Anfänge der Hapag (ca. 1860)

Die wenig innovative „Hamburg-Amerikanische-Packetfahrt-Actien-Gesellschaft“ ließ sich mit Ballins Reederei auf einen Preiskampf ein, der sie fast in den Ruin gestürzt hätte. Ihr blieb nichts weiter übrig, als Albert Ballin ins Boot zu holen. Und der nutzte seine Chance: Im Wettbewerb mit der Bremer Norddeutschen Lloyd hatte die Hapag bald die Nase vorn. 1899, ein halbes Jahrhundert nach ihrer Gründung, war die Hapag unter Ballins Führung die größte Schifffahrtsgesellschaft der Welt.

Von Geschwindigkeitsrekorden, d. h. nach der Jagd nach dem „Blauen Band“, hielt Ballin nichts. Er konzentrierte sich auf den Komfort als Erfolgsfaktor seiner Dampfer. Auch das in dieser Beziehung stark vernachlässigte Auswanderergeschäft profitierte von der neuen Strategie.

Menschenmenge in der Ballin-Stadt
Auswanderer in der Ballin-Stadt (1907)

Für die Emigranten schuf Albert Ballin außerhalb Hamburgs Auswandererhallen, die auch den Ärmeren eine menschenwürdige Unterkunft bis zu ihrer Abreise boten. Der riesige Komplex umfasste Schlaf- und Wohnpavillons, Speisehallen, Bäder, einen Musikpavillon, eine Kirche und eine Synagoge sowie Räume für ärztliche Untersuchungen. In dieser „Ballin-Stadt“ warteten bis zu 5.000 Auswanderer in Quarantäne auf ihre Überfahrt. Der Aufenthalt, die Unterkunft und Verpflegung waren im Preis der Passagiertickets enthalten. Nach und nach ersetzte Ballin die Massenschlafsäle seiner Dampfer durch kleine Kabinen (mit elektrischer Beleuchtung), eine Investition, die der Hapag endgültig die Vorrangstellung im Transatlantikverkehr verschaffte.

Der Beginn einer Erfolgsgeschichte des Tourismus

Da auf der Nordatlantik-Route aufgrund der schlechten Wetterbedingungen in den stürmischen Monaten zwischen November und März die Passagierschiffe nicht ausgelastet waren, funktionierte Ballin kurzerhand den Schnelldampfer Augusta Victoria zu einem Schiff für „Bildungs- und Vergnügungsfahrten“ ins Mittelmeer um.  Auf dem Schiff gab es keine Klasseneinteilung, und es war mit allem Luxus ausgestattet. Die Idee der modernen Kreuzfahrt war geboren!

Zeichnung des Schiffes Augusta Victoria im Hafen von Piräus
Die Augusta Victoria im Hafen von Piräus. Zeichnung von P.W. Allers (1891)

Im Januar 1891 brach die Augusta Victoria in Cuxhaven mit 174 Passagieren zu einer spektakulären „Orientfahrt“ auf. Über Southhampton ging es durch die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer, und von dort aus unter anderem nach Alexandria, Jaffa, Beirut und Konstantinopel. In den Häfen mit längeren Aufenthalten gab es Ausflugsprogramme nach Kairo, Jerusalem, Damaskus, Athen und Rom. Auf der Rückfahrt wurden noch Malta und Lissabon angelaufen, bevor das Schiff in Cuxhaven wieder vor Anker ging. Die Reisenden mussten für die Tour nicht nur ein kleines Vermögen aufbringen, sondern auch viel Zeit: Die Orientfahrt dauerte mit den bis zu viertägigen Hafenaufenthalten zwei Monate. Wenig später fuhren Touristenschiffe der Hapag auch ans Nordkap und in die Karibik.

Alte Zeitungswerbung der Hamburg-American Line
Hapag-Zeitungswerbung in Amerika (1899)

Albert Ballin scheute sich nicht davor, von vielen konservativen Kaufleuten verpönte „typisch amerikanische Reklamemethoden“ anzuwenden. Mit Plakaten, Inseraten, Werbeballons, spektakulären Veranstaltungen und mit Hilfe einer eigens von ihm gegründeten Presseabteilung verstand er es,  die Hapag weiter auf Erfolgskurs zu halten.

Gemälde eines Dampfschiffes in einem Fjörd
Die Augusta Victoria im Naeroefjord (um 1900). Gemälde von Themistokles von Eckenbrecher

Die Hapag, einer der ersten Global Player des Kaiserreichs

Bis 1914 verkehrten 194 Hapag-Dampfer im Fracht- und Passagierdienst weltweit auf 67 Linien – gemäß dem Hapag-Motto „Mein Feld ist die Welt“. Die Schiffe fuhren nach New York, über den Suezkanal nach Australien und von da nach Los Angeles, San Francisco und Vancouver. Eine weitere Route führte um Südamerika herum. 1907 eröffnete die Hapag einen Liniendienst nach Afrika. Damit verbanden die Hapag-Schiffe alle Kontinente mit Deutschland. Auch auf den großen Flüssen der Welt – Amazonas, Nil und Jangtsekiang – unterhielt die Reederei eigene Flussschiffe,

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, musste Ballin mitansehen, wie sein Lebenswerk zugrunde ging. Niedergeschlagen und voller Bitterkeit über den „dümmsten Krieg der Weltgeschichte“ machte er am 8. November 1918 seinem Leben ein Ende.

Die Hapag und ihr größter Konkurrent, die 1857 in Bremen gegründete Norddeutsche Lloyd, mussten infolge des Ersten als auch des Zweiten Weltkrieges den Totalverlust ihrer Schiffe hinnehmen. In den jeweiligen Nachkriegsjahren gelang es ihnen jedoch, ihre Flotten wieder aufzubauen und den Betrieb fortzusetzen. 1970 fusionierten die beiden Unternehmen zur Hapag-Lloyd AG.

‚Reisen damals‘-Tipp: das Auswandermuseum BallinStadt Hamburg
In der Ballin-Stadt erleben die Besucher hautnah Ein- und Auswanderungsgeschichte über vier Epo-chen hinweg. Auf 2.500 qm kann man in drei Hallen die Emigranten des 19. und 20. Jahrhunderts mit all ihren Wünschen und Träumen auf ihrem Weg in eine neue Heimat „virtuell“ begleiten.
www.ballinstadt.de
Häuserzeile der Ballin-Stadt
Ballin-Stadt Hamburg

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