Jules Vernes sitzend. Hände in den Hosentaschen

Jules Vernes „Reise um die Erde in 80 Tagen“. Realistisch oder reine Fiktion?

Jules Verne – der Meister der phantastischen Reiseliteratur des 19. Jahrhunderts!

Wer kennt nicht das wohl bekannteste Werk „Reise um die Erde in 80 Tagen“ des französischen Schriftstellers Jules Verne! Der abenteuerliche Wettlauf seines Romanhelden Phileas Fogg gegen die Zeit hat Generationen von Lesern und Leserinnen jeden Alters begeistert:

Mit dem Zug fahren Fogg und sein Diener Passepartout über Paris nach Brindisi. Von dort aus bringt sie ein Dampfschiff durch den Suezkanal nach Bombay. Hier überqueren sie den subindischen Kontinent per Eisenbahn und auf dem Rücken eines Elefanten. In Kalkutta mietet Fogg ein Schiff nach Shanghai, um das Postschiff nach Yokohama zu erreichen. Anschließend geht es über den Pazifik nach San Francisco und mit der Eisenbahn weiter nach New York.

Auf einem Raddampfer fährt die inzwischen um eine indische Prinzessin angewachsene kleine Reisegesellschaft nach Irland und auf einem schnelleren Schiff nach Liverpool. Mit einem Extrazug geht es von Liverpool nach London – doch die mit seinen Wettpartnern vereinbarte Reisedauer von achtzig Tagen ist um fünf Minuten überschritten! Ein Irrtum, den Fogg aber in buchstäblich letzter Sekunde noch bemerkt. Er hatte übersehen, dass er durch das Überschreiten der Datumsgrenze in Richtung Osten einen ganzen Tag eingespart hat und somit der Gewinner der Wette ist.

Reiseroute von Phileas Fogg auf einer Weltkarte
Die Reiseroute von Phileas Fogg

Auf die Idee für den Stoff hatten Jules Verne Fahrpläne der Agentur Thomas Cook gebracht. Verne begann zu rechnen: Wenn alle Abfahrtzeiten der Dampfer und Eisenbahnen pünktlich eingehalten würden, müsste es möglich sein, die Erde in achtzig Tagen zu umrunden. Umgehend schickte er in seiner Phantasie seine Romanfigur Phileas Fogg auf die Reise …

Als 1871 Zeitungen begannen, seinen Roman als Fortsetzungsserie abzudrucken, erschien den meisten seiner Zeitgenossen eine derartige Rekordreise unrealistisch zu sein. Doch die Eröffnung des Suezkanals 1869 und die Fertigstellung der transkontinentalen Eisenbahnverbindung in den USA im gleichen Jahr hatten für den Fernverkehr eine gewaltige Zeiteinsparung bedeutet. Und ein exzentrischer Amerikaner hatte bereits vorgemacht, dass eine Reise um die Welt in einer nicht für möglich gehaltenen Zeit durchaus machbar war.

George Francis Train vor einem Stuhl stehend
George Francis Train (ca. 1860)

George Francis Train: der „wahre“ Phileas Fogg

Der Bostoner Kaufmann George Francis Train (1829 bis 1904), ein ebenso erfolgreicher wie publicitysüchtiger Geschäftsmann, Politiker und Schriftsteller, wurde insbesondere durch seine Reiseberichte zu einer der bekanntesten Persönlichkeiten seiner Zeit. Jules Verne machte kein Hehl daraus, dass Train ihm als Vorbild für die Figur Phileas Fogg gedient hatte. Dass Verne für den Protagonisten des Romans nicht seinen Namen verwendet hatte, nahm Train dem Schriftsteller übel. Trains Weltreise 1870 verlief, anders als die fiktive Reise von Phileas Fogg, nicht in Richtung Osten, sondern in Richtung Westen.

Trains Reise um die Erde in 80 Tagen? Stimmt nicht ganz!

Train verließ New York auf einem Zug der Union Pacific, der ihn in sieben Tagen nach San Francisco brachte. Hier nahm er den Clipper Great Republic nach Yokohama und fuhr von dort aus nach Singapur. Als er vom Aufstand der Pariser Kommune hörte, machte er sich sofort auf den Weg nach Frankreich, um die Revolutionäre bei ihrem Kampf zu unterstützen. Er passierte den Suezkanal und erreichte schließlich Marseille.

Seine „aufrührerischen Reden“ brachten ihn in Lyon ins Gefängnis, aus dem er nach Intervention der amerikanischen Regierung und des Schriftstellers Alexandre Dumas nach dreizehn Tagen entlassen wurde. Im gecharterten Privatzug ging es dann zum Ärmelkanal und nach England. In Liverpool bestieg er das Schiff nach New York und erklärte nach der Ankunft, die Erde in achtzig Tagen umrundet zu haben. Was allerdings nur stimmt, wenn man den Zwangsaufenthalt in Lyon dabei nicht berücksichtigt. Aber einem begnadeten Selbstvermarkter wie Train focht diese kleine Schwindelei nicht an. Und auch die Öffentlichkeit störte sich daran nicht.

Eine illustrierte Weltkarte Buch Reise um die Erde in 80 Tagen von Jules Verne
Cover einer illustrierten Weltkarte zum Buch von Jules Verne (ca. 1873)

Wer es nicht so eilig hatte wie Mr. Train, konnte schon 1871 bei der Chicagoer Rock Island & Pacific Railroad für tausend Dollar (ein kleines Vermögen) eine „Reise um die Welt in 90 (!) Tagen“ per Zug und Schiff buchen. Der Streckenplan ähnelte der Route, die G. F. Train gewählt hatte:
New York – Chicago – Omaha – San Francisco – Yokohama – Hongkong – Singapore – Kalkutta – Bombay – Aden – Suez – Alexandria – Marseille – Paris – Calais – Dover – London – Liverpool – New York – Chicago

Auf Komfort musste nicht verzichtet werden: An die örtlichen Eisenbahnen sollten Schlaf-, Salon- und Speisewagen der Luxusklasse angehängt werden. Ob die Reisen stattgefunden haben, ist nicht überliefert.

Auch Thomas Cook ließ sich die Geschäftsidee einer Reise um die Welt nicht entgehen. 1872 veranstaltete die Agentur ihre längste Reise. In 222 Tagen fuhren die Teilnehmer mit dem Dampfer über den Atlantik, durchquerten Nordamerika, fuhren mit dem Schiff nach Japan und auf dem Landweg über China und Indien zurück nach Europa.

‚Reisen damals‘-Tipp: Auf den Spuren von Phileas Fogg – 150 Jahre danach
Wenn Sie es Jules Verne oder George Francis Train nachmachen möchten, können Sie beim britischen Reisebüro Responsible Travel eine Reise buchen, bei der keine Flugzeuge eingesetzt werden. Die Überquerung der Ozeane erfolgt auf einem Frachter, die Überlandtouren mit der Eisenbahn. Abfahrt ist London, und von da geht es nach Frankreich, in die Schweiz, nach Österreich, Russland, China, in die USA, nach Kanada und anschließend wieder – nach achtzig Tagen – zurück nach London. Der Preis: rund 23.000 Euro im Doppelzimmer) oder 34.000 Euro im Einzelzimmer, Mahlzeiten nicht inbegriffen. Allerdings: Wegen Corona und des Krieges in der Ukraine dürfte mit der Durchführung (Stand 2022) so bald nicht zu rechnen sein.

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2 Kommentare zu „Jules Vernes „Reise um die Erde in 80 Tagen“. Realistisch oder reine Fiktion?“

    1. Vielen Dank für das Lob. Das bedeutet uns viel. Ehrlich. Tolle Idee auch, die KI zu benutzen um Comic-Bilder im Stile von Hergés „Ligne claire“ zu entwickeln. Ich bin ein großer Tim und Struppi Fan. Olaf, ich wünsche Dir viel Erfolg mit deinem Blog „Weiter mit Plan B“.

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