„Ewiger Frühling“ machte Madeira vor 150 Jahren zum Ziel wintermüder Engländer.
Dass das subtropische Golfstromklima der „grünen Perle im Atlantik“ ausgezeichnet gegen Atemwegsbeschwerden hilft, war nur ein Grund für den ersten Touristenboom im späten neunzehnten Jahrhundert. Die Besucher, erst waren es Kaiser, Könige und Künstler, schätzten auch andere angenehme Seiten der Blumeninsel: üppige Landschaften, freundliche Bewohner und, natürlich, den dunklen, süßen Wein. Da sich fast die gesamte Weinwirtschaft in britischer Hand befand, gab es auf Madeira englische Reiseagenturen, Tageszeitungen und Hotels. Das lockte viele erholungsuchende Briten an, die sich auf der Insel auch sofort heimisch fühlten. 1891 eröffnete der Schotte William Reid in der Hauptstadt Funchal die erste Luxusherberge Madeiras, die bis heute ihre Spitzenposition behalten hat. Das Reid’s Palace gehört mit zu den besten Hotels der Welt.
Das Reid’s, hoch auf einer Landzunge gelegen, mit einer atemberaubenden Aussicht auf den Hafen von Funchal und auf die umliegenden grünen Berge, bemüht sich heute wie damals alle Wünsche seiner Besucher zu erfüllen (vorausgesetzt, man kann es sich leisten).
Die Lage ist spektakulär: Von der Terrasse führt ein Weg durch einen subtropischen Park hinunter zur Badeplattform und einen Meerwasserpool. Schon damals konnten Badegäste, die es eilig hatten, einen Aufzug benutzen. Auf der Terrasse nahmen illustre Persönlichkeiten wie König Edward VII., die Antarktisforscher Robert Falcon Scott und Ernest Shackleton, Winston Churchill (ein Madeira-Fan, der sich mehrfach auf der Insel erholte), Charlie Chaplin und George Bernhard Shaw ihren Nachmittagstee ein. Angeblich hat sich Shaw von einem eigens engagierten Tanzlehrer auf den täglichen Dinner Dance vorbereiten lassen. Kaiserin Sisi von Österreich-Ungarn verbrachte sogar ein paar Monate im Reid’s, um im mildfeuchten Klima Madeiras Atemprobleme und nervöse Unruhen zu kurieren.
Eis im Hochsommer? Schon damals im Reid’s kein Problem
Selbst als es (etwa bis 1920) noch keine Gefrierschränke gab, konnten in den Sommermonaten die Gäste ihren Whisky „on the Rocks“ genießen. Das Eis stammte von den über 1500 Meter hohen Bergen im Inselinneren. Im Winter wurde es in mit Lavasteinen bedeckten Erdhöhlen, die noch heute zu sehen sind, ganzjährig eingelagert und zu Fuß in den Kältekeller des Hotels transportiert. Der steinige Weg talwärts war mühsam, wurde aber für die armen Lastenträger zunehmend leichter: Von den bis zu 50 kg schweren Eisblöcken war am Ende die Hälfte geschmolzen. Dass der Whisky mit Eis an der Hotelbar doppelt so teuer war wie Whisky pur, störte die wohlhabende Klientel vermutlich wenig.
Heute gibt sich das Reid’s familienfreundlich und nicht mehr ganz so elitär wie früher. Der Preis für eine Übernachtung in einem Standardzimmer liegt im unteren dreistelligen Euro-Bereich; eine Suite kostet ein paar Tausend Euro die Nacht. Und die Präsidentensuite (120 qm)? Fragen Sie lieber nicht.
Auch auf der Gästeliste: die Flugpionierin Amy Johnson
Amy Johnson gilt als berühmteste Pilotin Englands. Als erste Frau führte sie 1930 in ihrer einmotorigen Gypsy Moth einen neunzehntägigen abenteuerlichen Alleinflug von England nach Australien durch. Zwei Jahre später folgte ein weiterer Rekordflug: In nur zehn Tagen bewältigte sie in einem De Havilland-Hochdecker die 16.000 km lange Strecke von London nach Tokio, wo sie begeistert gefeiert wurde. Am 5. Januar 1941 sollte Amy Johnson allein eine zweimotorige Maschine von Schottland nach Oxford überführen. Ein Routineflug, doch sie kam nie am Zielort an. Ihre Maschine war ins Meer gestürzt.
Wie kamen die Gäste auf die Insel?
Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts liefen Dampfschiffe von europäischen Häfen aus Funchal regelmäßig an. Der Dampfer La Normandie, 1882 vom Stapel gelassen, beförderte beispielsweise 205 Passagiere in der ersten Klasse und 76 in der zweiten Klasse. (Bei den Passagieren im Zwischendeck dürfte es sich vermutlich nicht um Gäste des Reid’s gehandelt haben.)
1949 begann Aquila Airways den Betrieb von Flugbooten zwischen England und Funchal. Im Pendelverkehr zwischen Southampton, Madeira, Las Palmas und Lissabon boten die Flugboote wesentlich kürzere Reisezeiten als die Dampfer.
1958, nach einem Absturz, bei dem alle 30 Passagiere und die sechsköpfige Besatzung ums Leben kamen, wurde der Flugbetrieb eingestellt. Heute ankern in der Hochsaison täglich bis zu vier Kreuzfahrtschiffe an den Kais des Hafens von Funchal. Für viele Passagiere führt der erste Weg dann hoch nach Monte – zur berühmten Fahrt mit dem Korbschlitten.
‚Reisen damals‘-Tipp: Teatime im Reid‘s Auch Madeira-Urlauber, die nicht im Reid’s übernachten, sollten sich einmal einen Kaffee oder Tee auf der Terrasse des Hotels gönnen. Der Preis lohnt sich; der Ausblick auf die Bucht von Funchal ist phantastisch. Achtung: Besucher in zu legerer Freizeitkleidung straft der Concierge mit einem missbilligenden Blick.
Bildquellen
- 1024px-Reid’s_Hotel_-_Jul_2011: Jason Ballard via commons wikimedia | CC BY 2.0 Generic
- Blick auf Funchal: Foto Horst Kleinert | All Rights Reserved
- George_Bernard_Shaw_taking_his_sun_bath_cure_at_Madeira,_1925: Sport & General agency, LTD. London via Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0
- Eingangshalle Reids: Foto Horst Kleinert | All Rights Reserved
- Amy_Johnson_(Our_Generation,_1938)_(cropped): Andy Dingley (scanner) via Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0
- Flugboot: Aquila-Flugboot: Madeira Story Center, Foto: Horst Kleinert | All Rights Reserved
- The_New_Palace_Hotel,_MON_1909: commons wikimedia | Public Domain Mark 1.0