Am Anfang stand ein Befehl des „Führers“, durch ausreichend Urlaub „ein nervenstarkes Volk“ zu schaffen, „denn nur allein mit einem Volk, das seine Nerven behält, kann man wahrhaft große Politik machen.“ Massentourismus wurde damit Staatsdoktrin des nationalsozialistischen Deutschlands.
Totaler Urlaub zur Vorbereitung des totalen Kriegs? Wer es wollte, konnte es erkennen; Hitler machte keinen Hehl aus seinen Absichten. Zugutekommen sollte der staatlich organisierte Urlaub allen „Volksgenossen“, aber keinen Bürgern und Bürgerinnen „nichtarischen Bluts“ oder „staatsfeindlicher Gesinnung“. Umgesetzt wurde der Führerwille von Robert Ley, dem Leiter der „Deutschen Arbeitsfront“. Er gründete im November 1933 die Urlaubs- und Freizeitorganisatin „Kraft durch Freude“. 1934 machten bereits zwei Millionen Deutsche einen KdF-Urlaub. 1938 war der Reiseveranstalter der Nazis mit über sieben Millionen Reisenden (hinzu kamen unzählige Wochenendurlauber und Ausflügler) die größte Tourismusorganisation der Welt. Profitieren konnte Kdf von den vorhandenen Freizeit- und Übernachtungseinrichtungen der Gewerkschaften und Arbeitervereine, die sofort nach der Machtergreifung von der „Deutschen Arbeitsfront“ vereinnahmt worden waren.

„Auch du kannst jetzt reisen“, versprachen die KdF-Plakate und lockten mit Reisen, von denen die meisten bis dahin nur träumen konnten. Beispielsweise kostete eine Woche Ostseeurlaub nur 32 Reichsmark, was in etwa einem durchschnittlichen Wochenlohn entsprach. (Der Preis für eine vergleichbare private Reise lag mindestens doppelt so hoch.) Subventionen brauchte es dazu nicht. Die Nazis hatten die Reisebranche nach industriellen Maßstäben kostensparend durchorganisiert – mit zentraler Bettenverwaltung, Ausdehnung der Saisonzeiten, standardisierten Angeboten und mit verordneten Höchstpreisen für Bahnfahrten und Unterkünfte sowie mit „freiwilligen“ Bezuschussungen der Wirtschaft.
Ein KdF-Urlaub war von morgens bis abends mit Veranstaltungen durchgetaktet. Frühgymnastik, Wanderungen, Strandspiele, Konzerte, Kino, bunte Abende – all das diente dazu, das Zusammengehörigkeitsgefühl als „Volksgemeinschaft“ zu stärken. Politische Agitation war eher die Ausnahme als die Regel. Die Nazis hatten schnell begriffen, dass vordergründige Parteipropaganda im Urlaub wenig fruchtete. Angesagt war Spaß, und prüde war man dabei nicht. So lästerte man über manchen Feriengast, er habe zu viel „Kraft“ durch „Freude“ verloren.
Der „Koloss von Prora“, die Urlaubsmaschine der Nazis
KdF-Reisen waren selbst bei den Deutschen, die nicht Anhänger des Regimes waren, beliebt und begehrt. Immerhin kam in den Jahren vor dem Krieg jeder Zehnte in den Genuss einer preiswerten Urlaubsreise. Auch im Ausland war man voll des Lobs über die KdF-Organisation und ihren „beispielhaften sozialen Errungenschaften“. So wurde ein auf der Weltausstellung 1937 in Paris ausgestelltes Modell eines gigantischen KdF-Ferienzentrums auf Rügen mit dem Grand Prix ausgezeichnet. Zwischen 1936 und 1939 wurde an der Prorer Wiek das „KdF-Seebad Rügen“ gebaut, konnte aber bis Kriegsbeginn nicht mehr fertiggestellt werden. 20.000 Urlaubsgäste sollten in acht baugleichen Blöcken, die sich fast fünf Kilometer längs der Küste erstreckten, gleichzeitig Urlaub machen können.

Prora sollte das erste von mehreren geplanten riesigen Ferienzentren sein. Vorgesehen waren Zweckbauten mit karg ausgestatteten Minizimmern (zwei Betten, Sitzecke, Schrank und Waschbecken) und Gemeinschaftseinrichtungen wie Sanitärbereiche, Schwimmhallen, Kino, Kantinen, Kegelbahnen und Leseräumen. Wegen des Kriegsbeginns ging die fast fertige Anlage nicht mehr in Betrieb. Nach dem Krieg diente Prora der Nationalen Volksarmee der DDR als Kaserne. 1990 wickelte die Bundeswehr den Militärstandort ab. Nach anfänglicher ziviler Zwischennutzung begann ein Großteil der Gebäude zu verfallen.
Ob Prora nach den Vorstellungen von Investoren einmal ein Super-Seebad mit Yachthafen, Seebrücke und Luxusappartements werden wird? Wer weiß. Auf große Gegenliebe scheinen die Pläne der Projektentwickler auf der Insel allerdings nicht zu stoßen. Heute steht der gesamte Komplex unter Denkmalschutz. Das Konzept einer Urlaubsstadt aus der Retorte hat aber überlebt. Gigantische Ferienmaschinen, in denen der Gast keinen Schritt aus der Anlage machen muss, finden sich an vielen Sonnenstränden wieder.
Die vom NS-Regime versprochene „Brechung des bürgerlichen Reiseprivilegs“ sollte nicht nur für Urlaubsfahrten per Bus oder Bahn gelten, sondern auch für Hochseekreuzfahrten. 1934 stach das erste KdF-„Arbeiterschiff“ in See. In den nachfolgenden Jahren wurden weitere Schiffe angekauft und zwei Neubauten in Auftrag gegeben. Zu Kriegsbeginn am 1. September 1939 verfügte die KdF-Flotte über sechs eigene Passagierschiffe. Flaggschiff war die Robert Ley. Ihr Stapellauf fand am 29. März 1938 in Anwesenheit Hitlers statt.

Die Robert Ley war für 1750 Passagiere zzgl. der Besatzungsmitglieder ausgelegt. Wie alle KdF-Dampfer war die Robert Ley ein Schiff ohne die normalerweise übliche Klasseneinteilung der Passagierräume. Ein klassenloses, also ein nur der Arbeiterklasse vorbehaltenes Schiff war sie entgegen der Propaganda allerdings nicht. Die „Arbeiter der Faust“ waren unter den Passagieren in der Minderheit. Mehrheitlich vergnügten sich Unternehmer, höhere Beamte, Parteibonzen und verdiente NS-Leistungsträger an Bord. Die Preise für Kreuzfahrten waren zwar subventioniert und damit konkurrenzlos niedrig, doch für die meisten Arbeiter und Angestellten lagen sie immer noch zu hoch. Bis 1939 machten immerhin 700.000 Deutsche auf den Kdf-Schiffen eine Kreuzfahrt. Und wer noch nicht zu den Glücklichen zählte, durfte hoffen, vielleicht zukünftig mit dabei sein zu können. Die Versprechungen der NS-Propaganda erwiesen sich auch in dieser Hinsicht als äußerst wirkungsvoll.
Die KdF-Schiffe fuhren nach Skandinavien, ins Mittelmer, nach Portugal, Madeira und Teneriffa, zu den Azoren, nach Italien und sogar nach Libyen und Tunesien. Landgänge waren selten und wurden mit wenigen Ausnahmen allenfalls in geschlossenen Gruppen unternommen. Zu enge Kontakte mit der Bevölkerung der besuchten Länder passten den Nazis trotz aller völkerfreundschaftlichen Bekundungen nicht ins ideologische Konzept.

Das Ende der braunen Urlauberflotte
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs war mit den Kreuzfahrten auf den Luxusschiffen Schluss. Die KdF-Schiffe wurden von der Wehrmacht als Verletzten- und Truppentransporter verwendet. Besonders tragisch war das Ende der Wilhelm Gustloff. Am 30. Januar 1945 wurde der mit Flüchtlingen und Wehrmachtsangehörigen heillos überfüllte Dampfer vor der Küste Pommerns von einem sowjetischen U-Boot torpediert. Bei der Versenkung kamen vermutlich bis zu 9.000 Menschen ums Leben. Der Untergang der Wilhelm Gustloff gilt bis heute als größte Katastrophe in der Geschichte der Seefahrt.
Die Idee, mit Hilfe subventionierter Kreuzfahrten die Bevölkerung für eine staatlich verordnete Ideologie zu gewinnen, wurde von der DDR übernommen. Die Aussicht auf luxuriöse Seereisen für verdiente Werktätige sollte zu höheren Leistungen anspornen und das Ansehen des DDR-Regimes bei den Bürgern verbessern. Der Plan ging allerdings nicht auf. Die „Friedensflotte“ des „Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds“ bestand wegen des chronischen Devisenmangels zeitweilig nur aus einem Schiff. Dass Reisende das Anlaufen fremder Häfen immer wieder zur Republikflucht nutzten, kam erschwerend hinzu. Mit der Übernahme der Arkona, des letzten verbliebenen FDGB-Dampfer, durch die Bundesrepublik am 3. Oktober 1990, endete die Ära der Traumschiffe des Sozialismus.
Bildquellen
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Sehr interessant! Danke!
Prora ist gut zugänglich! Der schöne Beitrag hätte Innenaufnahmen verdient!
Und die heutige Vermarktung wäre auch erwägenswert!
Das Ensemble von der Pier zum Strand und zum Bauwerk hätte man schön darstellen können.