Washington D.C., 13. Januar 1888. Es ist eine illustre Herrenrunde, die sich im altehrwürdigen Cosmos Club versammelt hat. Die dreiunddreißig Männer, allesamt renommierte Kartografen, Meteorologen, Naturforscher, Geografen, Offiziere und Banker, wollen eine Gesellschaft gründen, die sich der Erkundung der Erde widmet. Ziel ist es, das „geografische Wissen zu mehren und unter den Menschen zu verbreiten“. Es herrscht Aufbruchsstimmung, Ende des neunzehnten Jahrhunderts ist das Zeitalter der Entdeckungen noch nicht vorbei. Der Name der Gesellschaft ist schnell gefunden: „National Geographic Society“. Für die Gründung war nicht nur wissenschaftliches Interesse ausschlaggebend. Es lockte auch das Abenteuer, die letzten weißen Flecken der Erde zu enträtseln – und zwar nicht vom Schreibtisch aus, sondern durch Reisen und Expeditionen ins ewige Eis, zu unzulänglichen Hochgebirgen, durch glühende Wüsten und wilde Dschungel, zu fremden Völkern und zu den Ruinen versunkener Kulturen.

Dass die National Geographic Society einmal die größte gemeinnützige wissenschaftliche Organisation der Welt mit einem eigenen populärwissenschaftlichen Magazin werden sollte, ahnt an diesem Abend im Winter 1888 von den Anwesenden niemand – und auch nicht, dass ab den 1960er Jahren abenteuerliche Studien- und Erlebnisreisen zum Standardangebot vieler Reiseveranstalter gehören würden.
Das „National Geographic Magazine“: Wissen über die Welt für die Welt
Einige der Gründungsmitglieder hatten sich bereits zuvor als wagemutige Forscher Ruhm und Ehre erworben. Sie bestiegen die Rocky Mountains, durchfuhren den Grand Canyon und erkundeten die Everglades. Jetzt lockten größere Projekte, die durch die Zuwendungen finanzstarker Mitglieder ermöglicht werden sollten. Die amerikanische Regierung war dazu nach einer unglücklich verlaufenen Arktisexpedition mit neunzehn Toten nicht mehr bereit. Die neu gewonnenen Erkenntnisse und Ergebnisse sollten nicht nur in Akademikerzirkeln bekannt gemacht werden, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit. Noch 1888 wurde dazu eigens eine Zeitschrift, das „National Geographic Magazine“, aus der Taufe gehoben. Es war wohl ziemlich staubtrockener Lesestoff, denn die Auflage betrug lange Jahre nur um die tausend Hefte.
1897 starb Gardiner Greene Hubbard, der erste Präsident der Gesellschaft. Sein Nachfolger, der Erfinder Alexander Graham Bell, forderte die Mitglieder zum Umdenken auf: „Die Welt und alles, was in ihr ist, ist unser Thema. Wenn wir nichts mehr finden können, um das Interesse einfacher Leute zu wecken, ist es besser, den Laden zu schließen.“ Ein neuer Chefredakteur, Gilbert Hovey Grosvernor, sollte die Wende bringen. Dessen neues Konzept – einfacher Stil und spektakuläre Fotos – ging voll auf. Die Sorge einiger Vorstandmitglieder, ein derartiges „Bilderbuch“ würde das Magazin ruinieren, erwies sich als grundlos. Im Gegenteil, Grosvernor machte das „National Geographic“ zum bekanntesten Reportagemagazin der Welt mit heute weltweit mehr als zwanzig Millionen Lesern und Leserinnen. Ebenso rasant wie die Auflage stiegen auch die Mitgliederzahlen. Aus dem exklusiven Herrenklub ist eine multinationale Gesellschaft mit mehr als zehn Millionen Mitgliedern aus allen Schichten und Berufen geworden.
„Es wird nur Freundliches berichtet“
G. H. Grosvernor führte das Magazin 55 Jahre lang. Sein Ruf als „Vater des Fotojournalismus“ ist unbestritten, doch sein inhaltliches Heftkonzept geriet zunehmend in die Kritik. Grosvernor bestand bis zu seinem Tod im Jahr 1960 darauf, Negatives oder Unangenehmes über Land und Leute aus dem Heft herauszulassen; es sollte eine angenehme Lektüre sein. Und so erinnern manche der früheren Beiträge an romantisierende Schilderungen, wie sie bestenfalls nur noch in den schöngefärbten Werbebroschüren von Reiseveranstaltern zu finden sind. Heute berichtet das Magazin auch über ökologische Katastrophen oder politische Konflikte, und seine Fotostrecken zeigen auch die hässlichen Seiten unseres gefährdeten Planeten – aufrüttelnd und mahnend.
Schwerpunkt der Berichterstattung sind nach wie vor die wissenschaftlichen Reisen und Expeditionen auf allen sieben Kontinenten. Zu den Höhepunkten des vergangenen Jahrhunderts gehören zum Beispiel
- Robert Pearys und Matthew Hensons Vorstoß zum Nordpol (1909)
- Hiram Binghams Wiederentdeckung der Inkastätte Machu Picchu (1911)
- Richard E. Byrds Flug über die Antarktis (1929)

- Louis Leakeys Ausgrabung homonider Fossile in der Olduvai-Schlucht in Tanganjika (1931)
- Jaques-Yves Cousteaus Unterwassererkundungen mit dem Forschungsschiff „Calypso“ (ab 1951)
- Luis Mardens Entdeckung des Wracks der verschollenen „Bounty“ (1953)
- Dian Fosseys und Jane Goodalls Erforschung des Lebens der Schimpansen in Ostafrika (ab 1961)
- Donald C. Johansons Entdeckung von „Lucy“, eines über drei Millionen Jahre alten Skeletts eines Vormenschen ín Äthiopien (1974)
- Robert D. Ballards Entdeckung des Wracks der 1912 versunkenen „Titanic“ (1985)
- John Glenns Flug ins Weltall im Rentenalter (1998)
- J. Michael Fays 2000-km-Marsch durch die Sümpfe Zentralafrikas entlang des Kongo (1999)

National Geographic: heute ein weltumspannender Medienkonzern
Die National Geographic Society hat seit ihrer Gründung 1888 rund 10.000 Projekte gefördert. Ihre Stiftung für Forschung und Entdeckung vergibt pro Jahr mehr als vier Millionen Dollar. Ein großer Teil davon fließt mittlerweile in den Bereich Umwelt und Ökologie; hinzu kommen Stipendien, Förderpreise für Wissenschaftler und ein breites Engagement in den Schulen.
Mittlerweise ist National Geographic zu einem weltweiten Multimedia-Unternehmen geworden. Neben diversen Zeitschriften umfasst das Sortiment Bücher, DVDs, Atlanten, Unterrichtsmaterialien, Reiseaccessoires, Podcasts und TV-Channels. Die deutschsprachigen Magazine (National Geographic, National Geographic Traveler, National Geographic History, National Geographic Special) beinhalten neben den übersetzten Reportagen aus der US-amerikanischen Ausgabe auch Artikel der deutschen Redaktion. (www.nationalgeographic.de)
Die „American Geographical Society“
Die „American Geographical Society“ (AGS) ist eine weitere geografische Gesellschaft in den USA. Sie wurde 1858 gegründet, um den vermissten Polarforscher John Franklin zu suchen. Zusammen mit der National Geographic Society unterstützte die AGS auch die Expeditionen von Robert Peary, der von 1903 bis 1907 ihr Präsident war. Die AGS machte sich insbesondere um die Kartierung des amerikanischen Westens verdient. Sie schuf dadurch wesentliche Voraussetzungen für den Bau der transamerikanischen Eisenbahnen.
Reisen damals-Lesetipp: National Geographic (Hrsg.): Die Reise deines Lebens
Die Reiseexperten von National Geographic enthüllen in diesem fesselnden Bildband die 245 aufregendsten Abenteuerreisen der Welt. Der Bildband umfasst Fernreisen, Aktivreisen, aber auch kulturelle Sehenswürdigkeiten und bietet eine einzigartige Inspirationsquelle für das ultimative Reiseglück. Top-Ten-Listen, praktische Reisetipps und Abenteuer-Essays runden den Band ab. Ein Must-have für alle Weltenbummler!

Bildquellen
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- image: Spiridon Ion Cepleanu via Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0 International
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- NatGeo0: Pi3.124 via Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0 International