In der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts entwickelten sich im Nordwesten Kroatiens verträumte Fischerdörfer und Hafenstädtchen innerhalb weniger Jahre zu mondänen Seebädern und Kurorten der Habsburger Doppelmonarchie. Unter diesen Juwelen auf der Halbinsel Istrien war Abbazia an der Kvarner Bucht wohl der nobelste Ort. Mit seinen prachtvollen Villen, edlen Restaurants und Kaffeehäusern, Kureinrichtungen und Grandhotels, den Gartenanlagen, verträumten Buchten und der palmengesäumten Promenade brauchte Abbazia den Vergleich selbst mit Nizza oder Cannes nicht zu scheuen. Und so wurde der idyllische Küstenstreifen an der Adria fortan folgerichtig auch „Österreichische Riviera“ genannt.
Zum Aufstieg Abbazias zum Seebad hatte die Südbahn, die Wien mit der Handelsmetropole Triest verband, entscheidend beigetragen: Ab 1873 war die Hautevolee Wiens mit der Bahn in weniger als zwölf Stunden am Meer, in der damaligen Zeit nicht mehr als ein Katzensprung. Die Gäste aus Budapest, Prag oder anderen Städten des Kaiserreichs brauchten länger, aber Zeit hatte für Reisende eine andere Bedeutung als heute. Später gab es auch eine Verbindung von München aus. Die Erholungsuchenden verließen am Bahnhof von Matulji den Zug und fuhren mit einer Straßenbahn direkt zu ihren Hotels im sieben Kilometer entfernten Abbazia. Der weitsichtige Direktor der Südbahngesellschaft, Friedrich Schüler, hatte bereits ab Anfang der Achtzigerjahre des 19. Jahrhunderts das erste einer Reihe luxuriöser Hotels errichten lassen und damit frühzeitig dafür gesorgt, dass sich Abbazia zum Treffpunkt der Reichen und Mächtigen nicht nur aus Österreich-Ungarn entwickeln konnte. Abbazia, das heutige Opatija, wurde zum Sehnsuchtsziel für Europas wohlhabende Elite aus Aristokratie und Bürgertum.
1884 eröffnete die Südbahn das „Hotel Kvarner“ und katapultierte Abbazia damit endgültig in die Erste Liga der internationalen Kur- und Seebäder Europas. Das „Kvarner“ war nicht nur ein Grandhotel, das seine Gäste mit jedem erdenklichen Komfort verwöhnte, sondern gleichzeitig auch Sanatorium. Den Kurgästen wurde mehr geboten als nur die bis dahin üblichen Massagen und Wannenbäder (in Milch, Wein oder Meerwasser), nämlich ein eigens entwickeltes gesundheitliches Gesamtkonzept, für das ein interdisziplinär zusammengesetztes Ärzteteam verantwortlich zeichnete.
Durch kaiserliches Dekret vom 4. März 1889 wurde Abbazia zum ersten heilklimatischen Kurort an der österreichischen Adriaküste erhoben. Viele gekrönte Häupter aus ganz Europa und das Großbürgertum machten es zu einem auch international bekannten Seebad.
Immer mehr Hotels und Pensionen entstanden danach, auch preiswerte für die weniger wohlhabenden Schichten. Allein bis 1890 waren es fünfundachtzig neue Häuser. 1885 nahm die zweite legendäre Luxusherberge Abbazias, das „Hotel Kronprinzessin Stephanie“ (heute Hotel Imperial), ihren Betrieb auf. Die Prinzessin kurte auch selbst regelmäßig in diesem Hotel. Nicht nur der gesundheitliche Aspekt eines Kuraufenthalts lockte Gäste aus ganz Europa ganzjährig nach Abbazia. Der Ort hatte noch viel mehr zu aufzuweisen: Varietés, Theater und Musikbühnen boten Unterhaltungsmöglichkeiten, wie man sie auch aus Wien kannte. Darüber hinaus sorgten Fecht- und Tennisturniere, Wettkämpfe im Rudern und Schwimmen, Schießwettbewerbe, Ausflugsfahrten mit Dampfern und Segelregatten für Kurzweil. Mit am wichtigsten war das Sehen und Gesehen werden. Der Spaziergang auf dem zwölf Kilometer langen „Lungomare Franz Joseph“ entlang des Meeres gehörte zum täglichen Pflichtprogramm der Kurgäste.
55 Kilometer von Abbazia entfernt, an der sogenannten ungarischen Riviera, hatte sich gegen Ende des neunzehnten Jahrhunderts ein weiteres Fischerdorf zu einem Heilkurort mit dem Flair der k.u.k. Monarchie entwickelt: Crikveniza. Dass das 1895 eröffnete „Grandhotel Erzherzog Joseph“ direkt an einem Sandstrand lag erwies sich als großer Vorteil, denn ungefähr ab der Jahrhundertwende wurde das Baden im Meer immer beliebter. Anders als im österreichischen Seebad Grado an der italienischen Adria durften Männer und Frauen in den Badeanstalten Abbazias und Crikveniza das Meerwasser gemeinsam genießen.
Bis zum Ersten Weltkrieg gehörten Abbazia und Crikveniza ebenso wie Lovran, Losinj, Rijeka oder Portoroz an der Küste Istriens zu den elegantesten Seebädern Europas. Ohne die Anbindung der Adria an den Donauraum durch die Südbahn wäre dies sicher nicht möglich gewesen.
Nach dem ersten Weltkrieg verfielen die meisten Hotelbauten. Und heute? Mit der Aufnahme Kroatiens in die EU begann wieder ein rasanter Aufschwung. Wer sich auf die Suche nach dem k.u.k. Charme und dem Lifestyle der damaligen Zeit begibt, wird nicht enttäuscht. Das Flair jener Ära ist noch überall zu spüren. „Saher torta“ (Sachertorte) und Kaiserschmarrn schmecken in den zahlreichen Cafés jedenfalls noch genauso gut wie damals.
Reisen damals-Besichtigungstipps
Das 4-Sterne Hotel Kvarner in Opatija war das erste Hotel an der Adriaküste. Sein historisches Gebäude wird häufig als Messlatte für Eleganz und Kultiviertheit aller Hotels in Opatija angesehen. Wenn sie dort nicht übernachten, sollten Sie sich zumindest auf der Terrasse einen Mokka oder eine Wiener Melange gönnen.
Im Tourismusmuseum, das in der prächtigen Villa Angiolina untergebracht ist, können Sie sich mit der Geschichte von Opatija vertraut machen und erfahren, warum diese Stadt mit ihrem mediterranen Charme seit vielen Jahrzehnten zahlreiche Gäste anlockt. Die Villa Angiolina ist eine ehemalige Sommerresidenz, in der im 19. Jahrhundert zahlreiche Prominente aus Adel, Wissenschaft und Wirtschaft wohnten.
www.visitopatija.com
Bildquellen
- Abbazia2: Photochrom Print Collection via Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0
- Abbazia3: FOTO:FORTEPAN / A R via Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0
- Abbazia4: Druck: A. Berger, Wien. Gestaltung: Stephanie Glax. via Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0
- Abbazia5: Stengel & Co. via Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0
- Abbazia6: 3sat | All Rights Reserved
- Abbazia7: Roberta F. via Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0 Unported
- Abbazia8: Visitopatija | All Rights Reserved
- Abbazia1: 3SAT | All Rights Reserved