Bis zum Absturz der Hindenburg am 6. Mai 1937 glaubte man weltweit an eine goldene Zukunft der Luftschifffahrt. Der Zeppelin hatte sich als sicheres und zuverlässiges Verkehrsmittel erwiesen, das das Flugzeug in Bezug auf Reichweite und Komfort sinnvoll ergänzen könnte. Und so begannen in Deutschland und den USA Überlegungen für den Ausbau interkontinentaler Luftschiffverbindungen konkret zu werden. Die Vorteile lagen auf der Hand: Per Flugzeug dauerte zum Beispiel der Flug nach Niederländisch-Indien (ins heutige Indonesien) mit zahlreichen Zwischenlandungen neun bis zehn Tage, der Zeppelin würde lediglich vier Tage benötigen. Eine Verbindung von New York über Sevilla nach Kairo, mit Anschluss an die Route nach Britisch- und Niederländisch-Indien, eine Linie in Kooperation mit den USA von Europa nach New York über Los Angeles und Hawaii nach den Philippinen – alles schien möglich, selbst Verbindungen nach Japan und Australien.
Unüberwindbare technische und meteorologische Schwierigkeiten sah der erfahrene Luftschiffer Hugo Eckener, der Direktor der Deutschen Zeppelin Reederei, dabei nicht. Mit sechzehn Luftschiffen hätte man seiner Meinung nach vom Luftschiffhafen Frankfurt/M. aus einen weltumspannenden Linienverkehr betreiben können. Hallen oder Ankermaste standen bereits in den USA (New Jersey, Ohio, Virginia, Kalifornien), in England (Cardington), Spanien (Sevilla), Britisch-Indien (Karachi) und in Südamerika (Recife, Rio de Janeiro, Buenos Aires) zur Verfügung oder befanden sich im Bau.
Auch in den Vereinigten Staaten nahmen die Überlegungen Gestalt an. Sydney wäre in 12 Tagen (statt wie bis dahin in 28 Tagen) zu erreichen, Hawaii von Kalifornien aus in 36 Stunden. Eigens für die Verbindungen nach Asien wurde die Zeppelin Pacific Company gegründet. Von Hawaii nach Manila sollte es in drei Tagen gehen und weiter nach Yokohama in knapp zwei Tagen.
Zusammen mit der als Schwestergesellschaft der Deutschen Zeppelin Reederei in Akron/Ohio gegründeten American Zeppelin Transport Inc. sollte zunächst der Transatlantikverkehr ausgebaut werden. Die Goodyear Zeppelin Corp. wollte hierfür zwei eigene Großluftschiffe bauen und einsetzen – Giganten von rund 300 m Länge, deutlich größer als die Hindenburg. Konstruktionsskizzen gab es bereits. Diese beiden Zeppeline, Goodyear ZRS I und Goodyear ZRS II, solltenvon den Vereinigten Staaten aus nach Hawaii und weiter über den Pazifik in Richtung Fernost fahren. (ZRS steht für Zeppelin Rigid Ship = Starrluftschiff.) Die Hindenburg und die Graf Zeppelin würden weiterhin die Nord- und Südamerikastrecken bedienen. Die projektierten Nachfolgemodelle der Hindenburg, LZ 131 und LZ 132, sollten darüber hinaus auch nach Indien und Asien eingesetzt werden. Hangars und Landemaste könnten verabredungsgemäß von der deutschen und der amerikanischen Flotte gemeinsam genutzt werden. Überschneidungen bei den Routen wären trotz der engen Kooperation dabei nicht ganz zu vermeiden.
Die amerikanischen Luftschiffe, die bis spätesten 1940 in Dienst gestellt werden sollten, würden Platz für 40 bis 100 Passagiere bieten und mit Schlafabteilen, Restaurant, Duschbädern, Rauchersalon und Promenadengängen ausgestattet sein.
Wegen der politischen und wirtschaftlichen Probleme in den Dreißigern ist aus all diesen Plänen nichts geworden. Ohne die – vermeidbare – Explosion der Hindenburg und ohne die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs würden vermutlich noch immer große Zeppeline am Himmel zu bestaunen sein. So, wie auch moderne Windjammer wie die Sea Cloud oder die Royal Clipper in der Kreuzfahrtbranche trotz der modernen Riesendampfer im Tourismus ihre Nische gefunden haben.
Kurz nach Kriegsende setzte sich der ehemalige Chef der Goodyear Company, P.W. Litchfield, in seinem Buch „Why has American no Rigid Airships?“ leidenschaftlich für den Bau großer Luftschiffe ein. Litchfield war vom Nutzen der Zeppeline für die weltweite Luftfahrt überzeugt:
„Amerikas Verkehrssystem braucht neben Dampfschiff und Flugzeug auch den Zeppelin, wenn es darum geht, Ozeane zu überqueren. Luftschiffe sind dreimal schneller als Dampfer und weitaus komfortabler als Flugzeuge. Mit Hilfe neuer Technologien ließen sich Luftschiffe bauen, die wirtschaftlicher und sicherer sind als die konventionellen Zeppeline der Vorkriegszeit.“
Sein Appell verhallte ungehört. Politik und Industrie hatten sich längst für das Flugzeug als alleiniges Luftverkehrsmittel entschieden.
Wird die Rückkehr der silbernen Giganten für immer ein Traum bleiben? Wer weiß. Von Zeit zu Zeit werden der Öffentlichkeit spektakuläre Luftschiffprojekte vorgestellt. Realisiert wurde aber bislang keines. Zumindest in der Phantasie der Künstler leben die großen Zeppeline weiter:
Reisen damals-Lesetipp: „Traumreisen mit dem Luftschiff. Aufstieg, Fall und Rückkehr der Zeppeline“ Der Autor Horst Kleinert beschreibt die Anfänge der zivilen Luftschifffahrt und ihre große Zeit bis zu ihrem jähen Ende am 6. Mai 1937. Dabei steht nicht die Technologie im Vordergrund, sondern das Reiseerlebnis für die Passagiere. Außerdem widmet sich das Buch der Frage, ob ein Neuanfang der touristischen Luftfahrt mit innovativen Großraum-Zeppelinen denkbar ist. Thurm-Verlag, Lüneburg (2017), 164 Seiten, € 14,90. www.thurm-verlag.de
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Bildquellen
- Goodyear2: H. Allen, The Story of the Airship, Hrsg.: The Goodyear Tire & Rubber Co. / Goodyear-Zeppelin Corporation, Acron, 1931. Privatarchiv Kleinert | All Rights Reserved
- Goodyear3: H. Allen, The Story of the Airship, Hrsg.: The Goodyear Tire & Rubber Co. / Goodyear-Zeppelin Corporation, Acron, 1931. Privatarchiv Kleinert | All Rights Reserved
- Goodyear4: H. Allen, The Story of the Airship, Hrsg.: The Goodyear Tire & Rubber Co. / Goodyear-Zeppelin Corporation, Acron, 1931. Privatarchiv Kleinert | All Rights Reserved
- Goodyear5: P.W. Litchfield / H. Allan: Why has America no Rigid Airships? Riverside, CT., 1945. Privatarchiv Kleinert | All Rights Reserved
- Goodyear6: P.W. Litchfield / H. Allan: Why has America no Rigid Airships? Riverside, CT., 1945. Privatarchiv Kleinert | All Rights Reserved
- Goodyear7: P.W. Litchfield / H. Allan: Why has America no Rigid Airships? Riverside, CT., 1945. Privatarchiv Kleinert | All Rights Reserved
- Goodyear8: shutterstock, J. Steidl | All Rights Reserved
- Traumreise: Thurm-Verlag | All Rights Reserved
- Goodyear1: H. Allen, The Story of the Airship, Hrsg.: The Goodyear Tire & Rubber Co. / Goodyear-Zeppelin Corporation, Acron, 1931. Privatarchiv Kleinert | All Rights Reserved
Tolle Bilder, da denke ich sofort an ein neues Abenteuer von Tim und Struppi. Tintin. Diesmal im Zeppelin. Beides werden wir wohl leider nicht zu sehen bekommen.
Das kann man sich in der Tat gut vorstellen. Der letzte Tim und Struppi Band (Tim und Picaros) erschien 1976. Hergé hat in seinem Testament verfügt, dass die Reihe nicht fortgeführt werden darf. Das wird also nichts mehr mit „Tim im Zeppelin“ 🙂
Tim und Struppi werden wir sicher nicht mehr zu sehen bekommen. Aber große Zeppeline vielleicht doch noch: Vor einiger Zeit berichtete WeltN24 über Gerüchte, dass der Google Mitbegründer Sergey Brien in Kalifornien ein Luftschiff bauen lasse, größer als die „Hindenburg“. Alles streng geheim. Ob’s was wird? Mal sehen…
Sehr schöner Artikel, der Lust auf solche Flüge macht. Schade, dass es nur bei einigen Bildern geblieben ist.
Was Tim und Struppi und Luftschiffe angeht, habe ich mir auch so meine Gedanken gemacht. Nach über einem Jahr hatte ich nun endlich Zeit, seine Reiseziele mit den damals gebauten Schiffen abzugleichen: https://michaelstiftland.de/in-den-wolken-der-fantasie-tim-und-struppis-reisen-in-der-aera-der-luftschiffe/
Neben LTA von Brin gibt es noch andere aktuelle Luftschiff-Projekte, u.a. den Airlander in Spanien, siehe https://michaelstiftland.de/category/luftschiff/