In einem Teneriffa-Reiseführer aus den 50er Jahren ist nicht von „Touristen“ die Rede, sondern von „Fremden“. Vielleicht war das als Mahnung zu verstehen, als Gast der äußerst genügsam lebenden Bevölkerung mit Respekt und Unvoreingenommenheit zu begegnen. Hier aus dem erwähnten Reiseführer ein paar Sätze, die auf den Besuch der Insel einstimmen sollten:
„Sobald der Fremde den Fuß auf die Insel setzt, entdeckt er, dass er sich in einem Land befindet, das verschieden ist von allen anderen, die er gesehen hat. Welche Haltung wird der Fremde all dem gegenüber einnehmen? Vielleicht bereitet ihm die Begegnung mit den Inselbewohnern eine Überraschung: Er wird höfliche und gastliche Menschen finden. Er wird überrascht sein, in den Städten ein hohes kulturelles Niveau anzutreffen, er wird über Musik, Malerei, Literatur und Kunst im Allgemeinen sprechen können. Auf dem Land wird er einen gastfreundlichen, hilfsbereiten Bauern finden, der oft seinen Käse und seine Milch mit dem Wanderer teilt. … Die fruchtbare und üppige Erde Teneriffas hat die Bewohner, die sie verdient!“ (Aus L.D. Cuscoy: Das Buch von Teneriffa, 1959)
Ein Jahrzehnt später hat der Massentourismus begonnen, das Leben auf Teneriffa zu verändern – und zwar nicht nur zum Guten. Dennoch, die Insel des ewigen Frühlings mit ihrer Blumenpracht, den grünen Waldgürteln, schwarzen Felsmassen, den wilden Küsten und den Sandstränden im Süden fasziniert nach wie vor die Besucher. An manchen Tagen aber, wenn Tausende Privat- und Mietwagen auf der Suche nach Parkmöglichkeiten im Teide-Nationalpark oder in den Kiefer- und Lorbeerwäldern sind, werden die Grenzen des Teneriffa-Tourismus in seiner heutigen Form deutlich.
Mit dem Zeppelin nach Teneriffa? Fast wäre es möglich gewesen
Bevor es direkte Flugverbindungen gab, war es ziemlich aufwendig, von Europa aus Teneriffa zu erreichen. Die Schiffsfahrt von England oder Deutschland dauerte mehrere Tage, Flüge waren nur mit vielen Zwischenlandungen möglich. Mit dem Flugboot ging es schneller: Die englische „Aquila Airways“ bediente von 1949 bis 1958 die Strecke Southampton, Lissabon, Madeira und Gran Canaria. Von dort aus brachte eine Fähre die Fluggäste nach Santa Cruz auf Teneriffa. 1958 wurde die Verbindung nach einem Crash eingestellt.
In den 1930ern dachte man sogar über einen regelmäßigen Passagierdienst nach Teneriffa mit dem Luftschiff nach. Die erfolgreichen Südamerikafahrten der „Graf Zeppelin“ zeigen, dass das technisch machbar gewesen wäre. Es sollte aber bei der Ankündigung bleiben.
Die Hotels Marquesa und Monopol. Stilvoll wohnen in Puerto de la Cruz
Einer der frühesten Erholungsorte Teneriffas war das kleine Fischerdorf Orotava (das heutige Puerto de la Cruz) an der klimabegünstigten Nordküste. Schon vor 1900 entstanden hier Herbergen wie das „Monopol“ und das „Marquesa“ im Herzen der Altstadt.
Das über 250 Jahre alte Monopol im kanarischen Stil mit kunstvoll geschnitzten Balkonen und Treppen liegt am Plaza de la Iglesia direkt gegenüber der Kirche aus dem 17. Jahrhundert. Die Besichtigung des Innenhofs mit seinen pflanzenumrankten Arkadengängen sollte sich kein Besucher Puertos entgehen lassen. 1935 weilte hier der englische Mathematiker und Philosoph Bertrand Russel, dem 1950 der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde. Das ebenso traditionsreiche Hotel Marquesa, gleich nebenan vom Monopol, beherbergte 1799 den Naturforscher Alexander von Humboldt vor seiner Weiterreise nach Südamerika. Damals war es noch ein Privathaus.
Wenn Sie im Monopol übernachten wollen, achten Sie darauf, ein Zimmer mit Balkon im Altbau zu bekommen. Es lohnt sich.
www.hotelmarquesa.com
www.monopoltf.com
Das Grandhotel Taoro in Puerto de la Cruz
Auf einer Anhöhe oberhalb der Altstadt von Puerto wurden Anfang des 19. Jahrhunderts die ersten Nobelhotels Teneriffas für meist britische Kurgäste gebaut. Das Plateau mit Terrassen, Brunnen, Aussichtspunkten auf Stadt und Meer, Wasserfällen und Teichen ist bis heute bei Einheimischen und Touristen ein beliebter Ausflugsort. Das Hotel Taoro, ein Grandhotel alten Stils, wird zurzeit (2023) totalsaniert und soll nach seiner Wiederöffnung als 5-Sterne-Luxuspalast an den Glanz alter Zeiten anknüpfen, als illustre Gäste wie Agatha Christi und Oscar Wilde sich dort erholten. Hinter dem Hotel befindet sich der Risco Bello, ein paradiesischer Garten mit prächtigen Blumen, einer efeuumwucherten Grotte und dem Wassergarten Jardin Acuático.
In dem 1907 erschienenen Abenteuerroman „Das Reisebüro Thompson & Co.“ von Jules Verne (vermutlich beendet von seinem Sohn Michel) lässt Verne eine englische Touristengruppe eine Schiffsreise nach den Azoren, Madeira und den Kanarischen Inseln unternehmen. Von der Hafenstadt Santa Cruz auf Teneriffa fahren die Reisenden zunächst in die damalige Inselhauptstadt La Laguna und am nächsten Morgen mit der Postkutsche weiter nach Orotava. Dort übernachtet die Gruppe im Nobelhotel Taoro (bei Verne trug es noch den alten Namen Hôtel des Hesperides).
„Bei dem schläfrigen Trab, in dem unsere Pferde die Kutsche fortschleppten, waren vier Stunden notwendig, die dreißig Kilometer zwischen La Laguna und Orotava zurückzulegen. Die Straße lenkt dabei in das Tal von Orotava ein, das ein berühmter Reisender, Alexander von Humboldt, für das schönste der ganzen Erde erklärt hat. Tatsächlich dürfte es schwierig sein, sich ein noch harmonischeres Bild vorzustellen. Zur Rechten dehnt sich die Fläche des uferlosen Meeres aus, zur Linken liegt eine Anhäufung von wilden schwarzen Picos, den äußersten Vormauern des Vulkans, während der Teide selbst sich dahinter in stolzer Majestät erhebt. Dazwischen dehnt sich, voll des üppigsten Grüns, das Tal von Orotava aus. Unsere Kutsche hatte oberhalb des Hafens vor dem recht einladend aussehenden Hôtel des Hesperides angehalten, das von einem Franzosen bewirtschaftet wurde. Meine Gefährten und ich waren begeistert: Hier triumphierte die französische Küche!“
Am Tag darauf wagt die Gruppe mit Hilfe von Mauleseln, Trägern und Führern die Besteigung des Teide, die äußerst strapaziös verläuft. Auf der Heimfahrt nach England kann ihr altersschwaches Dampfschiff nur noch dank seiner Besegelung weiterfahren. Vor den Kapverden sinkt es, die Reisenden können sich jedoch an Land retten. Das ist der Beginn einer Reihe weiterer lebensgefährlicher Abenteuer, die die Reisegesellschaft durch Nordafrika bis nach Timbuktu führt …
Das Buch, aus dem auch die beiden Abbildungen stammen, kann als PDF-Datei (11,51 MB) kostenlos heruntergeladen werden: Jules Verne, Michel Verne: Das Reisebüro Thompson & Co. (PDF; 12,1 MB, illustrierte Neubearbeitung in der Arno-Schmidt-Referenzbibliothek).
Der historische Orchideengarten von Sitio Litre in Puerto de la Cruz
Im Gegensatz zu dem für seine exotische Pflanzenpracht berühmten Botanischen Garten von Puerto besuchen relativ wenig Touristen den nur einige Gehminuten vom Jardin Botanico entfernten Orchideengarten von Sitio Litre. Dieser älteste Garten von Teneriffa ist ein kleines Paradies. Er wurde 1730 angelegt und ist bis heute Privatbesitz der englischen Gründerfamilie. Auf seinem Gelände befindet sich die größte Orchideensammlung der Kanaren und der älteste Drachenbaum Puertos. 1927 besuchte die junge Agatha Christie mit ihrer Tochter den Garten. Die Krimiautorin litt unter einer Depression; kurz zuvor hatte sich ihr Ehemann von ihr getrennt. Die Kanarischen Inseln heilten ihre Wunden und brachten ihr Inspiration für ihre Romane. Ein anderer prominenter Besucher war Alexander von Humboldt, der im Juni 1799 während seines sechstägigen Aufenthalts auf Teneriffa hier an einem Gartenfest teilnahm und am Vortag den 3715 Meter hohen Teide bestiegen hatte. Bei Eiseskälte fertigte er zahlreiche Skizzen vom Kraterrand des Vulkans an und bewunderte die Aussicht: „Zu unseren Füßen sahen wir La Palma, Gomera und Gran Canaria. Die Berge von Lanzarote, die bei Sonnenaufgang dunstfrei gewesen waren, hüllten sich bald wieder in dichte Wolken.“
Reisen damals-Ausflugstipp: Besuch des Historischen Orchideengartens
Wenn Sie Ihren Urlaub in Puerto de la Cruz verbringen, sollten Sie sich Zeit für einen Ausflug zum Jardin de Orquídeas nehmen. Der Garten liegt etwas versteckt: Gehen Sie an der Avenida Colón die Palmenallee hinauf und biegen Sie am Ende schräg rechts in die Calle Valois ein. Nach einigen Metern führt ein links abzweigender Fußweg zum Sitio Litre. Gönnen Sie sich im Cafe Orquídea eine Erfrischung, und genießen Sie dann die wunderschöne Gartenanlage. (Täglich geöffnet von 9.30 bis 14.30 h.)Reisen damals-Lesetipp: „Alexander von Humboldt. Seine Woche auf Teneriffa“
Der Autor Alfred Gebauer beschreibt aufgrund von Erkundungen vor Ort und ergänzt durch geschichtliche Rückblicke und Originaltexte den Aufenthalt Humboldts und seines Gefährten, dem französischen Arzt Bonpland, auf Teneriffa. Neben Humboldts historischem Reisebericht enthält das Buch zahlreiche Abbildungen und Erläuterungen zur Natur und Geschichte Teneriffas. 208 Seiten, 12,80 €.
www.zech-verlag.com
Bildquellen
- Teneriffa2: Privatarchiv Kleinert | All Rights Reserved
- Teneriffa3: Privatarchiv Kleinert | All Rights Reserved
- Teneriffa4: Privatarchiv Kleinert | All Rights Reserved
- Teneriffa5: Privatarchiv Kleinert | All Rights Reserved
- Teneriffa6: Privatarchiv Kleinert | All Rights Reserved
- Teneriffa7: Privatarchiv Kleinert | All Rights Reserved
- Teneriffa8: Privatarchiv Kleinert | All Rights Reserved
- Teneriffa9: Privatarchiv Kleinert | All Rights Reserved
- Teneriffa1: Privatarchiv Kleinert | All Rights Reserved