Über den Kurfürstendamm „mit seinen stattlichen Privatbauten, zahlreichen Cafés und den eleganten Automobilen“ zu flanieren, gehörte in den Zwanzigern zu den Empfehlungen des „Baedekers“. Das gilt natürlich auch noch heute. Und wie die Gäste der Reichshauptstadt damals versäumen es auch viele der heutigen Touristen, dabei einen lohnenden Abstecher durch die Fasanenstraße zu machen. Diese edle Kunst- und Galeriemeile im Ortsteil Charlottenburg ist den Berlinern natürlich nicht unbekannt, sie fristet aber in den Reiseführern ein Schattendasein. Die Straße kreuzt den Kurfürstendamm an seiner wohl schönsten Ecke und beeindruckt die Besucher durch viele unversehrt gebliebene oder aufwändig restaurierte Gründerzeithäuser, in denen berühmte Literaten und Künstler residierten. Der Gang über die Fasanenstraße ist so etwas wie eine Reise in die zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts – was man übrigens von der weitaus berühmteren Friedrichstraße im Berliner Osten nicht behaupten kann. Vom Vorkriegsglanz dieser einstigen weltbekannten Einkaufs- und Amüsiermeile Berlins ist durch den Krieg und die mehrfachen „Neugestaltungen“ nach der Wiedervereinigung so gut wie nichts übriggeblieben.
Reisen damals-Tipp Nr. 1: Machen Sie eine Zeitreise zu Fuß
Beginnen Sie den Spaziergang an der Hardenbergstraße, und laufen Sie dann die Fasanenstraße in Richtung Süden bis zur Pariser Straße (ca. 1,5 km). Achten Sie auf die folgenden Highlights:
Von der Hardenbergstraße bis zur Kantstraße
Das Savoy Hotel an der Ecke Kantstraße wurde 1930 eröffnet. Thomas Mann pflegte hier in der Havanna-Bar des Öfteren eine Zigarre zu genießen.
Im Theater des Westens (Bj. 1895/96), schräg gegenüber vom Savoy, wurden in den zwanziger Jahren opulent ausgestattete Revuen und Operetten aufgeführt. Gleich nebenan befindet sich der Delphi Filmpalast (1927/28). Hollywoodstars wie Ava Gardner, Gary Cooper und James Stewart feierten im Nachkriegsberlin hier glanzvolle Premieren. Das Delphi-Palais, wie es früher hieß, war ursprünglich ein Tanzlokal. Das Sankt-Lukas-Haus in der Fasanenstraße 13 ist ein burgartiges Gebäude mit Erkern, Zinnen, Türmchen und Balkonen Das Haus beherbergte Ateliers für Bildhauer und Maler. Noch heute werden einige Ateliers und Wohnungen von Künstlern genutzt.
Nach der Oktoberrevolution im Jahr 1917 wohnten hier im Charlottenburger Kiez um Kantstraße und Kurfürstendamm zahlreiche russische Intellektuelle, weshalb das Gebiet von den Berlinern auch „Charlottengrad“ genannt wurde.
In der Fasanenstraße 79/80 wurde am Ort der 1912 eingeweihten Synagoge 1958/59 der Neubau des Jüdischen Gemeindehauses errichtet. Die Synagoge war in der Pogromnacht im November 1938 in Brand gesteckt worden.
Von der Kantstraße bis zum Kurfürstendamm
Das heutige Hotel Bristol Berlin an der Ecke zum Kurfürstendamm war als Hotel Kempinski (Bj. 1951/52) bis in die 1970er Jahre das einzige Luxushotel Berlins. Zu den Gästen zählten Sophia Loren, Gregory Peck, Gary Grant, der Dalai Lama und Michael Gorbatschow. Der ursprüngliche Name Kempinski geht auf die unter den Nazis enteigneten jüdischen Besitzer zurück, der ab 1926 an dieser Stelle ein Edel-Restaurant betrieb.
In dem Eckhaus (Bj. 1895/96) mit dem spitzen Giebel schräg gegenüber vom Bristol betrieb von 1921 bis 1928 der Komponist und Pianist Rudolf Nelson das bekannte Nelson-Theater. Nelsons Revuen und Operetten mit Stars wie Marlene Dietrich, Hans Albers und Claire Waldoff trugen in den Zwanziger Jahren zum legendären Ruf von Berlin als Zentrum der Unterhaltung entscheidend bei. Auch Josephine Baker trat hier mit ihrem berühmten „Bananenröckchen“ auf und ließ sich vom Publikum begeistert feiern. 1934 wurde das Nelson-Theater zum Kino Astor umgebaut. Seit der Schließung im Jahr 2002 befindet sich dort ein Modegeschäft, in dessen Gestaltung Teile der Kinoarchitektur einbezogen wurden.
Vom Kurfürstendamm bis zur Lietzenburger Straße
Zwischen dem Kurfürstendamm und der Lietzenburger Straße beeindruckt die Fasanenstraße durch die vielen hochherrschaftlichen Häuser aus der Gründerzeit. Dazwischen, in einem grünen Stadtgarten mit altem Baumbestand, liegt das Wintergartenensemble mit dem Literaturhaus Berlin und dem Auktionshaus Villa Griesebach.
In dem hochherrschaftlichen Wohnhaus (Nr. 24) nebenan befand sich bis Mitte 2022 das Käthe-Kollwitz-Museum, das 2022 in den ehemaligen Theaterbau vom Schloss Charlottenburg verlegt wurde. In die freigewordenen Räume der Stadtvilla zieht Ende 2022 das Exilmuseum Berlin – bis es irgendwann einmal an seinem Wunschstandort am geschichtsträchtigen Anhalter Bahnhof (von dem allerdings nur noch die Portalruine existiert) seinen endgültigen Platz finden wird. Das Exilmuseum würdigt die Menschen, die Deutschland wegen der NS-Herrschaft verlassen mussten. Vom Anhalter Bahnhof fuhren viele der betroffenen Personen, wie zum Beispiel Heinrich Mann oder Bertolt Brecht, ins Exil. Erinnerungstafeln an den Hauswänden und im Straßenpflaster eingelassene Stolpersteine erinnern an das Schicksal Vertriebener oder Deportierter, die ihren Wohnsitz in der Fasanenstraße hatten.
In der Fasanenstraße 69, hier befindet sich heute die Hotel-Pension Funk, wohnte zwischen 1931 und 1937 die Filmschauspielerin Asta Nielsen. Im Nachbarhaus lebte und lehrte ab 1931 die berühmte russische Tanzpädagogin Tatjana Gsovsky.
Im Umfeld des Wintergartenensembles haben sich Luxusläden, Kanzleien, Verlage, Restaurants und Familienhotels angesiedelt. Mit den überwiegend inhabergeführten Geschäften und der Ansiedlung mehrerer Galerien wird an die Tradition der Fasanenstraße als vornehme Flaniermeile angeknüpft.
Weiter zum Fasanenplatz
Auch nach der vielbefahrenen Lietzenburger Straße gibt es rund um den Fasanenplatz Restaurants, Galerien, edle Läden und prachtvolle Gründerzeitbauten mit schönen Hausfassaden. Am Fasanenplatz und in den umliegenden Straßen lebten viele Künstler und Schriftsteller. Prominenteste Bewohner am Platz waren die Schriftsteller Gerhart Hauptmann und Heinrich Mann. Hauptmann lebte dort Mitte der 1890er Jahre im heutigen Haus Fasanenstraße 39, Mann wohnte von 1932 bis 1933 im Haus Fasanenstraße 61. Häufig war er Gast in den nahegelegenen Nachtlokalen. In einem der Etablissements lernte er die Animierdame Nelly Kröger kennen, die er 1939 im Exil heiratete.
Zwei Gedenktafeln am Nachbargebäude erinnern an Bruno Balz und Michael Jary. Zusammen schufen die beiden Künstler Evergreens wie „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n“, den Song, den die Sängerin Zarah Leander 1942 zum Hit machte. Im Haus Fasanenstraße 26 wohnte 1920 nach seiner Ernennung der päpstliche Nuntius Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII. Im Eckgebäude gegenüber schrieb Robert Musil von 1931 bis 1933 an seinem Hauptwerk „Der Mann ohne Eigenschaften“.
Reisen damals-Tipp Nr. 2: Eine Erholungspause im Café des Literaturhauses
Wenige Schritte vom turbulenten Kurfürstendamm entfernt liegt in einem kleinen Garten das Café im Literaturhaus Berlin. Zusammen mit der Buchhandlung Kohlhaas & Co und dem Literaturhaus als Ort für Veranstaltungen und Ausstellungen bildet es ein auch architektonisch beeindruckendes Ensemble. Die Gäste des Cafés sitzen im Wintergarten, in den hohen stuckverzierten Räumen, im Garten oder auf der kleinen Terrasse. Frühstücken kann man hier täglich ab 9 Uhr. Von 11.30 an gibt es bis 23 Uhr durchgehend warme Küche mit monatlich wechselnden Gerichten (Fasanenstraße 23, Tel. 030 882 54 14).
Bildquellen
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- Fasanenstr5: Roland.h.bueb via Wikimedia Commons | CC BY 3.0 Unported
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- Fasanenstr7: Fridolin freudenfett (Peter Kuley) via Wikimedia Commons | CC BY-SA 3.0 Unported
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- Fasanenstr9: Orleander21 via Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0 International
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- Fasanenstr1: Colin Smith via Wikimedia Commons | CC BY-SA 2.0 Generic