Lakehurst, 6. Mai 1937, 19 Uhr 20: „Da ist sie, meine Damen und Herren, und was für einen Anblick sie bietet, einfach großartig, überwältigend. Sie kommt aus dem Himmel direkt auf uns zu und schwebt jetzt zum Ankermast hinüber.“
Der Radioreporter Herbert Morrison ahnt nicht, dass sein Bericht über den Anflug der Hindenburg in die Mediengeschichte eingehen wird.
„Oh, oh …, sie explodiert. Sie geht in Flammen auf …, oh nein, das ist schrecklich. Sie brennt, wird von Flammen umtost und stürzt auf den Ankermast und all die Leute …, das ist eine der schlimmsten Katastrophen der Welt! … Oh, das gibt einen schrecklichen Absturz, meine Damen und Herren … Oh, die Menschen, all die Passagiere! …“
Dann ist nur noch Schluchzen zu hören. Die Hindenburg, das größte und luxuriöseste Luftschiff der Welt, steht in Flammen und stürzt wie ein riesiger Feuerball auf das Flugfeld in Lakehurst bei New York. Binnen einer halben Minute ist alles vorbei. Zurück bleibt das riesige verkohlte Aluminiumgerippe.
„Eigentlich hätte das Unglück nicht passieren dürfen“, hieß es damals. Bis heute gibt es keine eindeutige Erklärung, was die Tragödie verursacht hat.
Wie durch ein Wunder überleben zweiundsechzig von den siebenundneunzig Personen an Bord das Inferno. Fünfunddreißig Personen sterben. Auch ein Mitglied der amerikanischen Bodenmannschaft zählt zu den Opfern. Am nächsten Tag beherrscht die Meldung über den Untergang der Hindenburg die amerikanische Presse und verbreitet sich in Windeseile um die Welt.
Die Hindenburg – das Traumschiff der Lüfte
Als die Hindenburg am 4. März 1936 vom Stapel lief, war sie in der Tat das lang ersehnte Traumschiff. Trotz der Befüllung mit Wasserstoff, der sich in Verbindung mit Luft zu einem hochexplosiven Gemisch entwickelt, konnte sich niemand vorstellen, dass das Luftschiff nur rund ein Jahr später in einem Feuersturm untergehen sollte. Alle erdenklichen Maßnahmen waren ergriffen worden, um die Traggaszellen hinter der robusten Außenhülle hermetisch abzudichten.
Federführend für den Bau und späteren Betrieb des Schiffes war eine neu gegründete Gesellschaft, die Deutsche Zeppelin-Reederei (DZR), an der sich auch der NS-Staat beteiligt hatte. Damit war die Hindenburg dem Einfluss von Propagandaminister Josef Goebbels ausgeliefert. In der Umgebung von Adolf Hitler hatte man sich bemüht, den „Führer“ dazu zu gewinnen, das neue Schiff auf seinen Namen taufen zu lassen. Doch Hitler habe dies wohl aus abergläubischen Vorstellungen heraus abgelehnt, vermutete der Chef der Zeppelin-Werke Hugo Eckener in seinen Memoiren. Der eventuelle Verlust eines Luftschiffs „Hitler“ sollte nicht als böses Omen gedeutet werden können.
Die Hindenburg im Dienst der Nazi-Propaganda
Mehr noch als die Graf Zeppelin wurde das mit großen Hakenkreuzen versehene Traumschiff zum Symbol der neuen Machthaber. Reichsluftfahrtminister Hermann Göring pries die Hindenburg scheinheilig als „völkerversöhnendes Meisterwerk deutscher Technik“, obwohl er von Luftschiffen („Gasblasen“) nichts hielt. Es gab keine Möglichkeit, diesen perfiden Missbrauch zu beenden. Oder doch? Bis heute sind die Gerüchte nicht verstummt, dass eine an Bord geschmuggelte Bombe die Katastrophe von Lakehurst ausgelöst hätte.
Die letzte Fahrt der Hindenburg im März 1937 schien, abgesehen von den schlechten Wetterbedingungen, wie immer problemlos zu verlaufen. Wieder bestaunten bei seiner Ehrenrunde über New York viele tausend Schaulustige von Straßen und Plätzen aus das Schiff.
Aufgrund eines Gewitters über New Jersey muss Kapitän Max Pruss den Landeanflug mehrmals abbrechen. Jetzt, um 19.21 Uhr, werden bei nur noch leichtem Regen aus einer Luke der Hindenburg die Ankertaue abgeworfen. Die Bodenmannschaft ergreift die Taue, um das Schiff zum Ankermast zu ziehen. Vier Minuten später ist eine gedämpfte Explosion zu hören, und aus dem Heckteil schießt eine kleine Flamme. Innerhalb von Sekunden steht das gesamte Schiff in Flammen. Passagiere und Crew versuchen, in Panik aus dem brennenden Zeppelin zu springen, bevor das Schiff krachend auf dem Boden aufschlägt.
Was führte zum Absturz der Hindenburg?
Wie das Feuer entstand, wurde nie vollständig geklärt. Wahrscheinlich habe ein Leck zur Bildung eines Wasserstoff-Luft-Gemischs geführt, das sich über eine elektrostatische Entladung entzündete und die lackierte Außenhülle blitzartig in Brand setzte. So das Fazit der deutschen und amerikanischen Untersuchungskommission.
2021 (!) wiesen US-Wissenschaftler des California Institute of Technology durch Laborexperimente nach, dass sich durch Regen und Gewitterwolken zwischen der nassen Hülle des Zeppelins und dem Innengerüst tatsächlich ein elektrisches Feld wie in einem Kondensator aufgeschaukelt haben könnte. Dadurch seien unzählige Funken über das ganze Luftschiff verteilt aufgetreten, einige auch dort, wo Wasserstoff ausgetreten war (Quelle: Welt TV, 5. August 2021). Doch wie sollte das Leck entstanden sein? Für die Untersuchungskommission war das Reißen eines der geflochtenen Drahtseile, die den Kontakt der Gaszellen mit dem Rahmen des Luftschiffs verhinderten, denkbar. Das spitze Ende eines gerissenen Drahts könnte dann das Leck verursacht haben. Nur: bei den Drahtseilen handelte es sich um hochfestes Material, ebenso wie bei den mit Latexgummi beschichteten Baumwollhüllen der Gaszellen. Dass die Stahldrähte durch Rost brüchig geworden waren, so die in einer TV-Dokumentation von 2019 vertretenen These, ist nicht sehr überzeugend. Die Hindenburg hatte bis zum Unglück gerade einmal siebzehn Hin- und Rückfahrten hinter sich. Und da soll es im Innern schon Rostschäden gegeben haben?
Viele offene Fragen
Als Ursache für das Unglück nahmen die Untersuchungskommission „das Zusammentreffen einer Reihe unglücklicher Umstände“ an. Und weiter: „Beweise für Sabotage konnten nicht erbracht werden“ –, die gewaltsame Zerstörung der Hindenburg sei aber auch nicht auszuschließen. Auch ein Beschuss bei der Landung wurde in Betracht gezogen. Schon zuvor waren in der Nähe von Lakehurst kleinere Prallluftschiffe von Farmern – folgenlos – beschossen worden. Sie waren über die „Blimps“ am Himmel verärgert, weil die ihr Vieh wild machten. Doch selbst mit einer Elefantenbüchse wäre es nicht von außen gelungen, in den inneren Gashüllen ein Leck zu verursachen. Da es keine Belege oder Zeugen für einen Beschuss gab, wurde diese mögliche Erklärung verworfen. Und so wurde munter spekuliert. Hatte Kapitän Max Pruss, der auch zu den Opfern zählte, die Wettersituation beim Landeanflug nicht richtig eingeschätzt? Waren für die Katastrophe baumwollfressende Mikroben, die Flugzeugindustrie oder gar Aliens verantwortlich? Steckte vielleicht ein Versicherungsbetrug dahinter? An absurden Erklärungen selbsternannter Experten bestand kein Mangel.
Auch eine Luger-Pistole, die in den Trümmern des Zeppelins gefunden wurde, nährte die Gerüchte – denn aus der Pistole war ein Schuss abgefeuert worden. Hatte die Kugel eine der Gaszellen durchschlagen? Diese Spur wurde aber nicht weiterverfolgt: Die Untersuchungskommission konnte sich keinen Anschlag vorstellen, bei dem der Attentäter erst ein Loch in die Gaszelle schießen, dann das Wasserstoff-Luft-Gemisch entzünden und damit sich selbst opfern würde. Nach dem 11. September 2001 wissen wir es heute besser. Aber die Suizid-Theorie ist ebenso wenig plausibel wie andere bizarre Erklärungsversuche.
Ganz auszuschließen ist auch die Sabotage-Theorie, Plot eines Hollywoodfilms von 1975, nicht: Eine von einem Nazigegner an Bord versteckte Zeitbombe wäre wegen der verspäteten Landung zu früh explodiert, als sich Passagiere und Crew noch an Bord befanden. Einen Beleg hierfür gibt es allerdings nicht – nur einen Brief einer Hellseherin aus Milwaukee an die Deutsche Botschaft: „Der Zeppelin wird während der Fahrt in ein anderes Land von einer Zeitbombe zerstört werden.“ Nachforschungen des FBI verliefen im Sande. Kein Wunder, dass die Spekulationen über die Unglücksursachen bis heute anhalten. Die Theorie des California Institute of Technology ist noch am überzeugendsten, doch auch sie lässt viele Fragen offen.
Das Schwesterschiff der Hindenburg, die ältere Graf Zeppelin, befand sich zum Zeitpunkt des Unglücks in Rio de Janeiro. Sie stieg nach ihrer Rückkehr aus Südamerika nie wieder auf. In einer Halle auf dem Frankfurter Flughafen hatte die Bevölkerung Gelegenheit, das Schiff zu besichtigen. Der Andrang war riesengroß; die Katastrophe von Lakehurst hatte die Luftschifffahrt-Euphorie in Deutschland erstaunlicherweise kaum bremsen können.
Reisen damals-Tipp: Das Festspielhaus Neuschwanstein zeigt „Zeppelin. Das Musical“ Das Musical des Musikkomponisten Ralph Siegel stellt die Lebensgeschichte des visionären Konstrukteurs Graf Zeppelin in einer parallelen Handlung den letzten Flug der Hindenburg gegenüber. Das Musical ist eine Mischung aus kritischem Geschichtsunterricht, bester Unterhaltung und emotionaler Lovestory. Auf der Bühne sorgt ein zehn Meter langer, 2,50 Meter breiter, funkferngesteuerter Zeppelin für faszinierende Eindrücke aus der Ära der Luftschifffahrt. www.das-festspielhaus.de
Bildquellen
- Hindenburg2: Sam Shere (1905–1982) via Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0
- Hindenburg3: Murray Becker/Associated Press via Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0
- Hindenburg4: Wide World Photos via Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0
- Hindenburg5: Festspielhaus Neuschwanstein (Pressefoto) | All Rights Reserved
- Hindenburg1: Associated Press/The Oregonian via Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0