Die „French Line“ feierte mit der Normandie zum Zeitpunkt ihrer Jungfernfahrt im Sommer 1935 gleich drei Superlative: Sie war das größte, das schnellste und das schönste Passagierschiff der Welt. Letzteres gilt auch noch heute. Nie wieder überquerte ein Dampfer von derart beeindruckender Eleganz den Ozean. Selbst die ein Jahr später vom Stapel laufende Queen Mary wirkte im Vergleich mit der Normandie „wie eine überladene Art-Déco-Privatjacht ohne Flair“, wie ein Schiffskenner schrieb. (Vielleicht ein etwas zu harsches Urteil, denn auch die Queen Mary ließ kaum Wünsche offen.)
Gebaut für die Reichen und Mächtigen
Der einzigartige Stil der Normandie wurde sichtbar, sobald man von der Gangway in die zweieinhalb Decks hohe Empfangshalle trat, an deren Ende sich ein sechs Meter breites Bronzeportal befand, der Zugang zum Erste-Klasse-Speisesaal. Mit fast 90 Metern Länge und neun Metern Höhe war er größer als der berühmte Spiegelsaal im Schloss von Versailles. Für die Innenausstattung des Schiffs hatten die berühmtesten Designer der Art-Déco-Ära gesorgt. Lichtfontänen und gewaltige Leuchter machten mit Hilfe von Metallspiegeln und Glaspaneelen den Dampfer in den Augen vieler Passagiere zu einem „Schiff der Lichter“. Es gab ein Theater mit 380 Plätzen, ein Novum seinerzeit auf einem Schiff, Restaurants, Bars, eine Sauna, ein Kino, Innen- und Außen-Schwimmbäder, einen Tenniscourt, einen Wintergarten mit exotischen Vögeln sowie mehreren Wasserfällen und sogar einen Hundesalon. Die First-Class-Gäste an Bord der 1.972 Betten beherbergenden Normandie mussten auf nichts verzichten. Die vier teuersten Suiten hatten vier Schlafzimmer, zwei Badezimmer, Speise-Séparée und eigenen Außenbalkon.
Schnell, schön – und unglücklich
Die Normandie war das erste Schiff mit einer Länge von über 300 Metern. Sie war aber nicht nur wegen ihrer Größe und windschnittigen Form ein Höhepunkt des Schiffbaus, sondern auch wegen ihrer Geschwindigkeit. Schon auf ihrer Jungfernfahrt am 29. Mai 1935 von Le Havre nach New York in vier Tagen, drei Stunden und zwei Minuten nahm sie der Rekordhalterin, der Bremen der Norddeutschen Lloyd, das „Blaue Band“ ab, musste es aber im August 1936 an die Queen Mary abgeben. Die britische Rivalin war drei (!) Minuten schneller. 1937 holte sich die Normandie die begehrte Trophäe aber noch einmal zurück.
Das traurige Ende des französischen Juwels
Weltstars wie Marlene Dietrich und Cary Grant, Salvador Dalí, Max Schmeling und Josephine Baker überquerten auf der Normandie den Atlantik – bis der Zweite Weltkrieg ausbrach. Nach nur vier Jahren Dienstzeit wurde das Passagierschiff in New York eingemottet. Mit dem Eintritt der USA in den Krieg beschlagnahmte die US-Marine das Schiff, benannte es in „USS Lafayette“ um und plante, den Luxusliner als Truppentransporter einzusetzen.
Damit nahm das Unglück seinen Lauf. Bei den Umrüstarbeiten am 9. Februar 1942 brach im „Grand Salon“ durch Fahrlässigkeit ein Feuer aus; eine halbe Stunde später stand das ganze Schiff in Flammen. Die Hilflosigkeit der amerikanischen Arbeiter wurde nur noch vom Dilettantismus der New Yorker Feuerwehr übertroffen. Die Feuerwehrleute pumpten so viel Wasser in den Rumpf, dass die Normandie kenterte. Eineinhalb Jahre lag der verkohlte Rumpf an Pier 88 im Hafenbecken von New York, bis er endlich auf dem Schrottplatz landete. Lange hielt sich das Gerücht, dass Nazi-Attentäter für das Feuer verantwortlich waren – eine Vermutung, die Alfred Hitchcock 1942 zu dem Thriller „Saboteure“ inspirierte. Alle Untersuchungen ergaben aber zweifelsfrei, dass der Brand ein Unfall war.
Die Erinnerung an das „perfekteste Passagierschiff der Welt“ begann zu verblassen. Mit der Queen Mary gab es ein neues Traumschiff, das bis in die sechziger Jahre auf den Meeren verkehrte.
Bildquellen
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- Normandie1: Tangopaso via Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0