Historische Schwarz-Weiß-Aufnahme eines großen Segelschiffs mit vier Masten und vollen Segeln auf offenem Meer.

Die Preußen. Die letzte Reise des größten Segelschiffs der Welt

Der Fünfmaster Preußen gilt bis heute als weltweit größtes und schnellstes Segelschiff mit querliegenden Segeln (Rahsegeln) ohne Hilfsantrieb. Den Niedergang der kommerziellen Segelschifffahrt konnte aber auch die Preußen nicht aufhalten. Leistungsfähigere und sicherere Ozeandampfer hatten Anfang des 20. Jahrhunderts begonnen, den interkontinentalen Fracht- und Passagierverkehr zu beherrschen. Und ein Dampfschiff war es auch, das in einer Novembernacht des Jahres 1910 das Schicksal des majestätischen Großseglers mit seinen 60 Meter emporragenden Masten besiegelte.

Die 1902 in Geestemünde an der Unterweser vom Stapel gelassene Preußen gilt als Meisterwerk der Schiffsbaukunst. Mit einer Länge von 147 Metern, einer Segelfläche von fast 7.000 qm und einer maximalen Geschwindigkeit von 20,5 Knoten (38 km/h) übertraf sie alle anderen auf den Weltmeeren kreuzenden Fünfmaster. Wie erstaunlich schnell die Preußen bei günstigen Windbedingungen war, zeigt ein Vergleich mit damaligen Schnelldampfern wie Titanic oder Imperator. Deren Höchstgeschwindigkeit betrug im Durchschnitt 24 Knoten, das sind 44 km/h.

Gebaut wurde die Preußen in erster Linie für Rundreisen zu den Salpeterhäfen in Chile. 1908 unternahm sie noch eine Weltreise von Hamburg über Lizard in Südengland nach New York (25 Tage), weiter über das Kap der guten Hoffnung nach Yokohama (126 Tage) und Chile (75 Tage) und von dort zurück nach Hamburg (75 Tage). Danach befuhr sie nur noch die Südamerikaroute rund um Kap Hoorn. Alle Fahrten verliefen ohne größere Probleme. Die Segeleigenschaften der Preußen waren selbst bei Sturm ausgezeichnet. Allerdings mussten dann zwei bis vier Mann das zwei Meter hohe Doppelruderrad halten.

Historische Hafenszene mit großen Segelschiffen an einem Pier, begleitet von kleineren Booten und dampfenden Schiffen im Vordergrund.
Die Preußen im Hamburger Hafen (1907)

Um Kap Hoorn nach Valparaiso

Am 31. Oktober 1910 verlässt die Preußen bei mäßigem Wind den Hamburger Hafen. Ziel der Reise war Chile. Wie schon zwölfmal zuvor will das Schiff Zement, Klaviere, Stacheldraht, Zucker und andere Exportprodukte nach Valparaiso bringen und mit 8.000 Tonnen Salpeter für die aufstrebende deutsche chemische Industrie zurückkehren. Neben der 48-köpfigen Besatzung sind zwei Passagiere, ein Maler und ein Lehrer aus Rostock, an Bord. Untergebracht sind sie in einer Doppelkabine, die speziell für die Beförderung von Passagieren vorgesehen ist. Der Wind bleibt weiterhin schwach, so dass der Großsegler nur langsam vorankommt. Nach fünf Tagen befindet sich die Preußen noch immer in den schwierigen Gewässern des Ärmelkanals südlich der englischen Küste. Der Ärmelkanal gilt als eine der meistbefahrenen Schiffsrouten der Welt, doch diesmal herrscht wenig Verkehr. Als es gegen Mitternacht diesig wird, lässt Kapitän Nissen mit Licht und Horn Nebelsignale geben. „Alles in Ordnung“, ruft er den beiden Passagieren zu, die beunruhigt an Deck gekommen sind.

Die Tragödie vom 5. November 1910

Plötzlich tauchen Steuerbord die weißen Positionslampen eines Dampfers auf, dann auch die rote Backbord-Laterne. Der Dampfer scheint den Kurs der Preußen kreuzen zu wollen. Es ist die Brighton, eine schnelle Kanalfähre auf der Überfahrt von Newhaven nach Dieppe. Ein Dampfer ist gegenüber einem Segelschiff ausweichpflichtig, muss also hinter dem Heck passieren. So ist die Regel, dennoch kommt die Preußen dem Dampfer immer näher. Kapitän Nissen ist alarmiert. „Haben die unsere Nebelsignale nicht gehört?“, ruft er, „sind die denn blind?“ Er befiehlt dem Steuermann, sofort hart Backbord zu gehen. Die Preußen reagiert nur träge, der Wind ist zu schwach. Der zweite Offizier kann noch einen Warnschrei ausstoßen, aber es ist zu spät: Die Preußen kracht in den Dampfer. Beide Schiffe sind stark beschädigt, glücklicherweise gibt es keine Verletzten. Die Brighton ist noch fahrtüchtig, die Preußen aber muss Schlepperhilfe annehmen. Mehrere ihrer Maste sind weggeknickt, sie ist nicht mehr manövrierfähig. Inzwischen ist das Wetter schlechter geworden, ein Sturm kommt auf. Selbst drei Schlepper schaffen es nicht, das Schiff durch die aufgewühlte See zu ziehen. Die Schleppertrossen reißen, und die Preußen treibt hilflos in Richtung Küste. Kurz vor der Hafeneinfahrt von Dover kollidiert sie mit einem Unterwasserfelsen und strandet unterhalb der weißen Kreideklippen. Als der Sturm weiter an Stärke zunimmt, sollen die jüngsten Besatzungsmitglieder und die beiden Passagiere das auf dem Kalkboden festliegende Schiff verlassen, sie wollen aber mit der Crew an Bord bleiben. Inzwischen sind weitere Schlepper eingetroffen, die sich vergeblich bemühen, die Preußen zu bergen. Der stolze Großsegler muss aufgegeben werden, alle müssen von Bord.

Noch Jahre danach sind die aus dem Wasser herausragende Maste zu sehen, bis die Preußen schließlich endgültig von der See verschluckt wird. Weltweit nimmt die Schifffahrt Anteil an dem Unglück, auch der Kaiser drückt sein Bedauern in einem Telegramm an die Reederei aus. Der Schiffsnarr Wilhelm II. hatte den Bau des Riesenseglers maßgeblich unterstützt.

Bei der anschließenden Untersuchung des Unglücks durch das Seeamt Hamburg wurde dem Kapitän der Brighton die alleinige Schuld zugesprochen. Er erschoss sich später in einer Londoner Bar. 

Briefmarke der Deutschen Bundespost von 1977 mit dem Fünfmast-Vollschiff 'Preussen' (1902–1910) auf blauem Hintergrund.
Sondermarke zum 75jährigen Jubiläum des Stapellaufs der Preußen

Der Luxussegler Royal Clipper: die Wiedergeburt der Preußen

Ende der neunziger Jahre wurde nach dem Vorbild der Preußen ein Vier-Sterne-Kreuzfahrtschiff gebaut und im Jahr 2000 in Dienst gestellt. Die Royal Clipper ist zurzeit der größte Rahsegler der Welt und der einzige Fünfmaster, der die Ozeane befährt. Das Schiff ist zehn Prozent kürzer als die Preußen, hat etwas weniger Segelfläche und ist auch mit einer Maximalgeschwindigkeit von 18 Knoten unter Segeln langsamer als die Preußen.

Modernes Segelschiff mit fünf Masten und vollen weißen Segeln auf offenem Meer unter bewölktem Himmel.
Die Royal Clipper

Die Royal Clipper bietet Platz für 227 Passagiere und 105 Crewmitglieder, von denen allein 20 zum Handling der Segel benötigt werden. Den Passagieren stehen 6 Innenkabinen, 90 Außenkabinen, 2 Deckkabinen, 14 Deluxe-Kabinen mit privatem Balkon und 2 Luxus-Suiten zur Verfügung, darüber hinaus Bars, Pools und Fitnessraum. Highlight der Innenräume ist ein dreistöckiges Atrium, durch das Tageslicht in das Restaurant fällt. Vom Heck kann eine Plattform herabgelassen werden, die Zugang zum Wassersport ermöglicht. Wer sich traut, kann in dem Mast zum „Krähennest“ hochentern, das sich 30 Meter über dem Meer befindet. Auf See fährt die Royal Clipper grundsätzlich unter Segeln, es sei denn, die Wetterbedingungen erfordern die Zuhilfenahme ihrer beiden Dieselmotoren.

Gemütliche Kabine auf einem Schiff mit Doppelbett, maritimer Dekoration, zwei Bullaugen und warmen Holzelementen.
Blick in die Deluxe-Kabine

Die Kreuzfahrtreviere der Royal Clipper sind im Sommer das westliche Mittelmeer mit den Starthäfen Cannes, Rom und Venedig. Im Winter steht die Karibik auf dem Programm, und sie segelt dann von Barbados aus durch die kleinen Antillen. Bei den im Herbst und Frühjahr stattfindenden Transatlantikfahrten können wahlweise die komplette Ozeanüberquerung oder individuelle Teilstrecken gebucht werden.

Reisen damals-Tipp: eine Kurzreise auf der Royal Clipper zum Kennenlernen
Jeweils im Frühjahr haben Sie Gelegenheit, an viertägigen Schnupperkreuzfahrten ab/bis Venedig oder ab/bis Rom teilzunehmen. In Reiseportalen wie zum Beispiel Secret Escapes (secretescapes.de) oder bei speziellen Kreuzfahrt-Agenturen können Sie mit etwas Glück Last-Minute-Angebote zu besonders günstigen Konditionen finden. Der Normalpreis (Innenkabine) für eine einwöchige Kreuzfahrt mit der Royal Clipper durch das westliche Mittelmeer beträgt pro Person um 2.500 € (2024).
www.royal-clipper.com

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