Historisches Plakat von 1937, das ein Kreuzfahrtschiff vor einer malerischen, beleuchteten Bergkulisse in Nordnorwegen zeigt, mit dem Text 'Le Cap Nord et le Soleil de Minuit'.

Hurtigruten: Seit 1893 die „schönste Schiffsreise der Welt“

Wirklich die „schönste Schiffsreise“? Dass das nicht nur ein Reklamespruch ist, davon sind die meisten der jährlich über 400.000 Passagiere überzeugt, die diese historische Fahrt entlang der norwegischen Küste gemacht haben. Zwölf Tage dauert die Tour von Bergen im Süden bis hinauf nach Kirkenes im Norden und zurück. Seit 1893 verbinden die Schiffe der Hurtigruten, der „schnellen Linie“, 34 Orte an der über 2.700 Kilometer langen Westküste. Damals war es vielleicht nicht immer die schönste Seereise, zweifellos aber eine der abenteuerlichsten – und gefährlichsten.

Norwegen hautnah und authentisch erleben

Heute sind es keine einfachen Fracht- und Postdampfer mehr, die die Hurtigruten befahren, sondern Schiffe mit dem Komfort moderner Kreuzfahrtschiffe – aber ohne deren Chichi und Entertainment. Dafür dürfen das kleine Schwarze oder das Dinnerjacket getrost im heimischen Kleiderschrank bleiben. Noch immer dienen die Schiffe in erster Linie dem Personenverkehr und der Grundversorgung der angelaufenen Ortschaften. Dass die touristischen Belange dabei manchmal zurückstehen, macht gerade den besonderen Reiz dieser Seereise aus. Da werden Häfen auch nachts oder nur sehr kurz angelaufen. Lärm und Unruhe stören empfindsame Gemüter, und es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen von einheimischen Fahrgästen. Wem das nicht gefällt, ist bei einer Nordlandfahrt mit den AIDA-, MSC- oder Costa-Kreuzfahrtschiffen sicher besser aufgehoben. Die haben allerdings bis zu 6.000 Passagiere an Bord und nicht maximal 820 wie die Trollfjord, das größte der Hurtigrutenschiffe.

Schwarz-Weiß-Foto eines historischen Dampfschiffs mit norwegischer Flagge, das an einer Küste mit Hügeln und Gebäuden im Hintergrund ankert. Ein kleines Beiboot ist im Wasser zu sehen.
Die Vesteraalen

Am Sonntag, dem 2. Juli 1893, verließ das erste offizielle Hurtigrutenschiff, die D/S Vesteraalen, den Hafen von Trondheim mit über 100 Passagieren, davon 40 in der 1. Klasse, 16 in der 2. und 50 in der 3.Klasse. Am Mittwoch erreichte der Dampfer Hammerfest und fuhr auf der gleichen Strecke zurück nach Trondheim. Die Linie entwickelte sich so erfolgreich, dass ein Jahr später die erste Werbebroschüre für Touristen herausgegeben wurde. Sogar ein 60seitiges Reisehandbuch in deutscher Sprache gab es. Nordlandfahrten standen bei gut betuchten West- und Mitteleuropäern hoch im Kurs. Wilhelm II. bildete da keine Ausnahme, der Kaiser liebte den hohen Norden. Seine erste Schiffsreise nach Norwegen führte ihn 1894 bis nach Trondheim – allerdings nicht auf einem Hurtigrutendampfer. Wilhelm bevorzugte für seine maritimen Ausflüge die Staatsyacht Hohenzollern. Auch luxuriöse Kreuzfahrtschiffe wie die Augusta Victoria der Hapag fuhren schon vor der Jahrhundertwende auf „Bildungs- und Vergnügungsfahrten“ hoch bis zum Nordkap. Diese Reisen kosteten allerdings ein kleines Vermögen.

Eine seemännische Herausforderung

1898 wurde der Ausgangshafen der Hurtigruten nach Bergen, südlich von Trondheim, verlegt. Inzwischen verkehrten mehrere Schiffe auf der Strecke nach Hammerfest und weiter nach Kirkenes. Nicht immer verliefen die Fahrten problemlos. Der Schiffsbetrieb war noch störanfällig und die Route entlang der Küste mit vielen Untiefen, Schären und Felsen insbesondere im Winter voller Tücken: Dampfer liefen auf Grund, kollidierten, kenterten bei Stürmen, Kessel explodierten und verursachten Brände. 1913 erwischte es auch die D/S Vesteralen. Das Schiff lief auf Grund und sank. Todesopfer waren glücklicherweise nicht zu beklagen.

Ab 1912 befuhren die Hurtigruten modernere Schiffe, die mehr Sicherheit, mehr Platz für die Passagiere und größeren Komfort boten. Im Ersten Weltkrieg musste der Liniendienst aufgrund der Kohleknappheit vorübergehend eingeschränkt werden, erlebte aber danach einen neuen Boom. Selbst sechs Fahrten ab Bergen pro Woche reichten nicht aus, um das gestiegene Passagier- und Frachtaufkommen und die Reiselust von Touristen zu befriedigen. Neue Schiffe wurden gebaut und zusätzliche Ziele wie die Inselgruppe der Lofoten angefahren.

Während des Zweiten Weltkriegs konnte der Liniendienst nur vereinzelt aufrechterhalten werden. In dieser Zeit sind auch die meisten Schiffsverluste und Havarien verzeichnet. Nach Kriegsende waren von ehemals vierzehn Schiffen nur noch drei fahrtauglich. Bis 1956 wurden dann insgesamt zehn fast baugleiche Schiffe in Dienst gestellt, so dass wieder ein regelmäßiger Liniendienst eingerichtet werden konnte. 

Panoramablick auf den Geirangerfjord in Norwegen, umgeben von steilen, grünen Bergen und einer kleinen Siedlung am Ufer. Im Fjord sind mehrere Boote zu sehen
Der Geirangerfjord

Ab 1996 ging die Flottenverjüngung weiter. Alle neuen Schiffe sind deutlich größer und komfortabler als jene der 1950er und 1960er Jahre. Neben Suiten und relativ geräumigen Kabinen mit Dusche und WC bieten sie Swimmingpools, Bars und Veranstaltungsräume. Charakteristische Gemeinsamkeit ist der Panoramasalon über der Brücke, der den Fahrgästen auch bei schlechtem Wetter einen guten Ausblick bietet. Zum Kreuzfahrtcharakter gehören auch organisierte Landausflüge und Abstecher zum Beispiel in den gewaltigen Geirangerfjord (in den die großen Kreuzfahrtschiffe seit Kurzem nicht mehr einfahren dürfen), den handtuchbreiten Trollfjord und ans Nordkap. Um das geringere Passagieraufkommen in der Winterzeit zu kompensieren, werden einige der größeren Schiffe der „neuen Generation“ in diesen Monaten auf Expeditionskreuzfahrten in den antarktischen Sommer geschickt. An ihre Stelle treten dann die traditionellen Schiffe der „mittleren Generation“.

Passagierschiff 'Polarlys' der Hurtigruten-Linie in Norwegen, auf einer winterlichen Fahrt vor einer schneebedeckten Bergkulisse
Die Polarlys, ein Hurtigrutenschiff der „neuen Generation“
Historisches Passagierschiff auf ruhiger See an einem klaren Tag, mit schneebedecktem Ufer und bewaldeten Hügeln im Hintergrund.
Die Lofoten, das letzte Schiff der „mittleren Generation“

Reisen wie damals – aber mit mehr Komfort

Basisgeschäft ist nach wie vor die klassische Fahrt von Bergen nach Kirkenes nahe der russischen Grenze. Wie im letzten Jahrhundert durchkreuzen die Postschiffe die verzweigten Küstengewässer Norwegens mit ihren Fjorden, Gletschern und Bergen. Es ist ein nahezu unverändertes Panorama, das damals wie heute an den Passagieren vorbeizieht – nicht nur im Sommer. Im Winter sind die Tage zwar sehr kurz, aber schon lange vor der Dämmerung färbt sich der Himmel oft pinkfarben. Dann kommt ein tiefes Blau, und später erstrahlt der Sternenhimmel wie auf tiefschwarzem Samt. Und mit etwas Glück erleben die Touristen nördlich des Polarkreises das Leuchten des magischen Nordlichts. Im Sommer, in der Zeit der Mitternachtssonne, faszinieren die hellen Nächte, im Herbst die Färbung der Bäume an den bewaldeten Küsten, und im Frühjahr kann man zusehen, wie die Natur erwacht und es zu blühen beginnt. Und zu jeder Jahreszeit haben die Passagiere die Gelegenheit, in den Alltag hübscher Städtchen einzutauchen – dort, wo die großen Kreuzfahrtschiffe nicht hinkommen.

Polarlichter erleuchten den Nachthimmel über einer winterlichen Landschaft in Norwegen mit schneebedeckten Bergen und einem stillen Fjord.
Reisen damals-Tipp: die Postschiffroute zum Kennenlernen
Eine beliebte Kurzreise ist eine kombinierte Bahn-Schiff-Rundtour von Oslo mit der Bergenbahn bis Bergen, mit dem Hurtigrutenschiff nach Trondheim und der Drovebahn zurück nach Oslo. Zusammen mit einer An- und Abreise mit Color-Line ab Kiel gewinnt man so einen Eindruck von Norwegen in knapp einer Woche. Generell ist es möglich, ab jedem Hafen, den die Hurtigruten anläuft, mitzufahren. Bei einer Kurzreise ist es auch nicht notwendig, eine Kabine zu buchen; man kann an Deck seinen Schlafsack ausrollen.
www.hurtigruten.com

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