Alte Postkarte von Gibraltar

Liebe Grüße aus dem Urlaub. Die Geschichte der Ansichtskarte

Merkwürdig. Jeder freut sich über eine Ansichtskarte aus dem Urlaub, aber immer weniger schreiben eine. In den europäischen Urlaubsorten stehen vor fast allen Souvenirläden Ständer mit wunderschönen Ansichtskarten. Doch wer kauft die eigentlich? Anders gefragt: Haben Sie aus ihrem letzten Urlaub Ansichtskarten verschickt? Wenn ja, wie viele? Keine? Eine, zehn, fünfzehn? Zwanzig und mehr Kartengrüße waren bis in die achtziger Jahre hinein durchaus normal. Und in den Sechzigern ging nicht selten ein ganzer kostbarer Urlaubstag (meist der letzte) für das Schreiben von Postkarten drauf. Man wollte vor den daheimgebliebenen Kollegen, Freunden und Verwandten glänzen: Seht mal, an welchem schönen Ort ich Ferien mache! Heute will niemand mehr mit einer Urlaubskarte aus Mallorca, Madeira oder Mittenwald den Empfänger beeindrucken, sondern ihn mit seinem Gruß erfreuen. Eine handgeschriebene Karte ist ein Zeichen besonderer Wertschätzung.

Dass Urlaubskarten selten geworden sind, liegt natürlich nicht am hohen Porto, sondern an der sprunghaften Verbreitung der digitalen Kommunikation. Per WhatsApp oder Facebook bebilderte Urlaubsgrüße zu verschicken, kann jeder so nebenbei am Frühstückstisch im Hotel erledigen.

Alte Postkarte von Olmütz
1897 (Olmütz)

Bevor Ansichtskarten aus der Urlaubswelt ganz verschwunden sind, sei hier ein wehmütiger Blick auf eine kleine Auswahl interessanter Exemplare aus der „goldenen Zeit des Reisens“ geworfen:

In nennenswerter Anzahl wurden Ansichtskarten erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts verschickt. Ursache der zunehmenden Verbreitung war der Einsatz der Chromolithografie – ein Druckverfahren, das auch farbige statt nur schwarz-weiß bedruckter Karten ermöglichte. Weiterer Grund war der anwachsende Tourismus. Grüße von Ausflügen oder Reisen an Freunde und Verwandte zu verschicken, gehörte bald mit zum guten Ton des aufstrebenden Bürgertums – und wurde nicht selten zum Selbstzweck des Reisens:

„Kürzlich erstieg ich gemeinsam mit einer größeren Reisegruppe den Rigi“, schrieb 1900 ein Autor in der Zeitschrift „The Referee“. „Unmittelbar nachdem wir den Gipfel erreicht hatten, rannten alle zum nahegelegenen Hotel und balgten sich um die Postkarten. Fünf Minuten schrieb ein jeder, als ginge es ums liebe Leben. Ich gewann den Eindruck, dass diese ganze Gesellschaft nicht um der Erfahrung selber willen den Berg bestiegen hatte, sondern nur um eine Postkarte loszuwerden.“ 

Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs wurde für schwarz-weiße Fotokarten neben dem Lichtdruck oft der Bromsilberdruck verwendet, später dann, wie noch heute, der kostengünstige Offsetdruck (schwarz-weiß und farbig).

Alte Postkarte aus Ägypten
1910 (Kairo)
Alte Ansichtskarte von Biarritz
1912 (Biarritz/Bayonne)

Schon früh wurden amtliche Vorschriften erlassen, wie das Anschriftenfeld zu gestalten war: Zuerst durften keine handschriftlichen Zusätze auf der für die Adressierung und die Briefmarke vorgesehene Kartenseite gemacht werden. Dann, ab 1905, wurde die Adressseite durch einen Trennungsstrich geteilt. Die linke Hälfte (keinesfalls mehr!) konnte dann beschrieben werden (allerdings nicht bei allen Postkarten, sondern nur bei Ansichtskarten). Für die Deutsche Post ist übrigens die Adressseite die Vorderseite der Ansichtskarte und die Bildseite ihre Rückseite. Im englischsprachigen Raum ist dies genau umgekehrt. Und nach einer in Brüssel ausgedachten EU-Norm sollen zukünftig … aber lassen wir das.

Alte Ansichtskarte aus Florida
1935 (Florida)

Das Sammeln von Ansichtskarten wird als Philokartie bezeichnet. Neben Privatpersonen sammeln Museen und Archive solche Karten unter anderem für kulturhistorische, dokumentarische und heimatgeschichtliche Zwecke.

Deckblatt Sammelalbum Postkarten
Sammelalbum (1898)

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