Als die Hindenburg am 4. März 1936 vom Stapel lief, war sie in der Tat das lang ersehnte Traumschiff. Größer und komfortabler als ihr Schwesterschiff, die ältere Graf Zeppelin. Trotz der Befüllung mit Wasserstoff, der sich in Verbindung mit Luft zu einem hochexplosiven Gemisch entwickelt, konnte sich niemand vorstellen, dass das Luftschiff nur rund ein Jahr später in einem Feuersturm untergehen sollte. Alle erdenklichen Maßnahmen waren ergriffen worden, um die Traggaszellen hinter der robusten Außenhülle hermetisch abzudichten.
Die Hindenburg war mit fast 250 m nur knapp zehn Meter länger lang als die Graf Zeppelin, hatte aber einen größeren Durchmesser. Sie wirkte dadurch wuchtiger als die schlanke Graf Zeppelin. Die Gasfüllung bestand aus Wasserstoff, da die USA Nazi-Deutschland die bereits zugesagte Lieferung von nicht entzündlichem Helium aus politischen Gründen verweigerten. Die Reichweite betrug 16.000 km, die Höchstgeschwindigkeit 130 km/h. Sie beförderte im Fernverkehr 55 Passagiere, nach einem Umbau Ende 1936 75 Passagiere. Für den Betrieb waren 54 bis 60 Personen im Drei-Wachen-System erforderlich.
Der Einstieg in das Schiff erfolgte über ausfahrbare Treppen in das untere Fahrgastdeck. Im Gegensatz zur Graf Zeppelin befand sich die Fahrgastanlage, das untere Deck B und das obere Hauptdeck A, nicht in einer Gondel, sondern im Inneren des Schiffskörpers.
An Bord der Hindenburg. Erzählung eines Passagiers
Berlin 1936: Der junge Privatdetektiv Frank Hammer mischt sich inkognito unter die Passagiere der Hindenburg auf ihrer Fahrt von Frankfurt/M. nach Lakehurst. Im Auftrag der Zeppelin-Reederei soll er untersuchen, was es mit den Presseberichten über angebliche Störfälle und Pannen an Bord auf sich hat. Die Reederei ist davon überzeugt, dass es Verleumdungen sind. Doch wer steckt dahinter? Was könnte das Ziel der Gerüchte sein? Hier Frank Hammers Bericht über den ersten Tag an Bord des Zeppelins (Auszug aus der Erzählung „Das Hindenburg-Komplott“):
In Berlin bestieg ich den Morgenzug nach Frankfurt und fuhr sofort weiter zum Luftschiffhafen. Mächtig wie ein Ozeandampfer lag die silberne „Hindenburg“ vor mir. Und sie war ja in der Tat auch nur zwanzig Meter kürzer als die unglückliche „Titanic“. Über eine Gangway betrat ich das untere Deck des Zeppelins. Ein Steward begrüßte mich und führte mich über den Treppenaufgang zum oberen Deck zu meiner Kabine. Ich packte meine kleine Reisetasche aus und war froh, dass ich die Doppelkabine für mich allein hatte. Viel Platz gab es nicht: ein schmales Bett – das obere Bett war zurückgeklappt –, Hocker, eine schmale Schreibplatte, Schranknische, Waschbecken und kein Fenster.
Bis zum Abendessen blieb noch etwas Zeit, und so ging ich über den Gang zum Salon auf der Steuerbordseite. Die „Hindenburg“ befand sich bereits auf einer Höhe von zwei- oder dreihundert Metern, ohne dass ich etwas vom Aufstieg bemerkt hatte. Ich war beeindruckt; es stimmte, was ich gehört hatte: Der große elegante Salon bot aus den Panoramafenstern eine phantastische Aussicht auf Himmel und Landschaft. Die Inneneinrichtung – schnörkellos und gediegen – war in warmen Pastelltönen gehalten. Sogar ein kleiner Flügel stand im Salon. Ein sehr salopp gekleideter Mann, wohl ein amerikanischer Fahrgast, erfreute gerade die Passagiere mit Pianohits von Duke Ellington. Ein Kellner reichte mir ein Glas Sekt, und ich setzte mich in einen der Sessel. Ich blickte mich um. Einige Passagiere hatte es sich wie ich bequem gemacht, andere genossen den Ausblick aus den Fenstern.
Um zwanzig Uhr ertönte ein Gong. Mit den anderen Fahrgästen ging ich hinüber zum Speisesaal auf der anderen Seite des Schiffs. Der Ober wies mir einen Tisch zu, von dem aus ich am Abendhimmel hinter ein paar Schleierwolken den bereits hell scheinenden Mond sehen konnte.
Ich hatte angenehme Tischnachbarn; ein älteres Ehepaar, das ihren Sohn besuchen wollte, der in Harvard studierte. Das viergängige Menü servierte uns der Ober auf feinem Porzellan, das mit einem stilisierten Zeppelin verziert war. Nach einer netten Plauderei und ein paar Gläsern Wein spürte ich eine wohlige Müdigkeit und erhob mich vom Tisch. Morgen würde meine Detektivarbeit beginnen, ich wollte ausgeschlafen sein. Auf dem Weg zur Kabine warf ich noch einen letzten Blick durch die Fenster des Promenadengangs. Dreihundert Meter unter mir funkelten wie auf einem Teppich aus schwarzem Samt die zahllosen Lichter der Städte und Dörfer Irlands.
Am nächsten Morgen begrüßte ein Offizier in einer schmucken Uniform mit dem Emblem der Deutschen Zeppelin-Reederei die kleine Journalistengruppe, unter die ich mich gemischt hatte, mit nicht überhörbarem Stolz in der Stimme:
„Genießen Sie die Fahrt, meine Herrschaften. Die ‚Hindenburg‘ bietet Ihnen einen Komfort, der die Fahrt zu einem unvergesslichen Erlebnis machen wird.“
Er erläuterte uns auf unserem Rundgang die Einrichtungen der gesamten Fahrgastanlage.
„Selbst bei voller Fahrt ist bei geöffneten Fenstern keine Zugluft zu spüren“, erklärte uns der Offizier, als wir im Salon vor den schräggestellten Fenstern des Promenadengangs standen.
Wir verließen den Salon über eine Treppe und betraten das untere Deck mit den Sanitär- und Duschräumen, der Offiziersmesse und der Küche. „Die Gerichte werden über einen Speiseaufzug ins obere Restaurant gebracht“, erklärte uns der Chefkoch. Auch auf dem unteren Deck gab es links und rechts einen Promenadengang mit einer durchgehenden Fensterfront. Hier befand sich auch die Bar. Zur Begrüßung servierte uns der Barkeeper den „Maybach“, einen geeisten Cocktail aus Gin, Kirschwasser und Kräuterlikör.
Nach dem Rundgang durch Ober- und Unterdeck verließen wir über einen schmalen Steg die Fahrgasträume und gingen zum Bug des Schiffs. Der Blick nach oben, wo sich in vierzig Meter Höhe die Spanten und gigantischen Aluminiumringe um die Gasballons schlossen, war überwältigend.
Wir durften sogar das Allerheiligste des Zeppelins besichtigen, die vor dem Post- und Funkraum gelegene Führergondel unterhalb des Bugs. Auf der Brücke erläuterte uns der Kommandant die Steuerung und Navigation des Schiffs.
„Auch schwere Stürme können der ‚Hindenburg‘ nichts anhaben. Bis auf ein sanftes Schaukeln spüren unsere Passagiere von Unwettern nichts. Noch nie ist jemand bei uns an Bord seekrank, das heißt luftkrank geworden“, versicherte er uns.
Ich fühlte mich auf der „Hindenburg“ in besten Händen. Ich war überzeugt, dass an den Gerüchten nichts dran sein konnte. Alles wirkte perfekt. Service, Einrichtung, Komfort und Schiffsführung ließen keine Wünsche übrig.
Kurz vor Mitternacht servierten die Stewards im Salon noch einen kleinen Imbiss: eine Kraftbrühe und einen Schoppen Frankenwein. Zeit, schlafen zu gehen? Nicht für mich – die Bar war noch geöffnet. Langsam verließ ich den Salon und ging zur Treppe, die zum unteren Deck führte. Ich brauchte einen Whisky, einen doppelten. Ich musste nachdenken.
In der Bar setzte ich mich ans Ende des Tresens und war froh, keinen Nachbarn zu haben. Der Barkeeper servierte mir einen Scotch auf Eis und dazu ein Glas Wasser. Von meinem Eckplatz konnte ich die Bar gut überblicken. Eine junge Frau und zwei ältere Männer, die an einem der niedrigen Tische an der hinteren Wand saßen, waren außer mir die einzigen Gäste. Die drei unterhielten sich angeregt, beflügelt vom Champagner, dem sie heftig zusprachen. Ab und zu blickte die Lady zu mir herüber und lächelte mich an – immer einen Wimpernschlag zu lang, um es nicht als Versuch eines Flirts auffassen zu können. Trotz des schummrigen Lichts sah ich, dass sie verdammt hübsch war. Normalerweise hätte ich das Spiel mitgemacht, doch jetzt war nicht die Zeit dafür; ich war mit meinen Gedanken woanders.
Am nächsten Tag würde der Zeppelin die Küste erreichen und über Manhattan den Landeanflug nach Lakehurst einleiten. Bis dahin musste ich die Drahtzieher der Diffamierungen entlarvt haben. So wie es aussah, standen die Chancen dafür schlecht.“
Aus: Horst Kleinert „Das Hindenburg-Komplott“. In: Auftrag in Tarapoto. Zeppelin-Storys. Thurm-Verlag, Lüneburg 2021
War die Hindenburg wirklich ein Hotel der Lüfte?
Was die spartanisch eingerichteten Kabinen und Sanitärbereiche (eine einzige Dusche) anbelangt, war sie das sicherlich nicht, ohne Zweifel aber in Bezug auf den kulinarischen Service und vor allem auf den Komfort der Gesellschaftsräume. Und im Vergleich mit dem damals luxuriösesten Ozeandampfer der Welt, der Queen Mary, kann die Hindenburg nur zwei Vorteile ins Feld führen: Statt fünf Tage benötigte das Luftschiff für die Atlantiküberquerung nur zwei Tage – und nie ist ein Passagier seekrank, d.h. luftkrank geworden.
One-way kostete das Queen-Mary-Ticket 1937 für die Außenkabine 300 Dollar, die Deutsche Zeppelin-Reederei verlangte für die Fahrt mit der Hindenburg 400 Dollar. Nach heutiger Kaufkraft wären das rund 7.000 Euro.
Reisen damals-Tipp: Das Zeppelin Museum Friedrichshafen Das Zeppelin Museum Friedrichshafen informiert mit der weltweit größten Sammlung von Modellen, Originalexponaten, Filmen und Fotos über die Geschichte der Luftschifffahrt von den Anfängen bis heute. www.zeppelinmuseum.de Reisen damals-Lesetipp: Horst Kleinert: „Auftrag in Tarapoto. Zeppelin-Storys“ Aus dem Inhalt: Unerklärliche Vorfälle gefährden in den 1930er Jahren den Luftschiffverkehr. Wer steckt dahinter? / Eine faszinierende Luftschiffreise um die Welt im Jahr 2036. Reisen Sie mit. / 2048 umkreist ein Zeppelin der NASA die Venus. Entscheidet sich hier das Schicksal der Menschheit? 185 Seiten, € 9,90, Thurm-Verlag Lüneburg (2022). www.thurm-verlag.de
Bildquellen
- Hindenburg2: Acme News Photos via Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0
- Hindenburg3: Illustrated London News, April 11,1936 | Public Domain Mark 1.0
- Hindenburg4: Shutterstock / Everet Historical | All Rights Reserved
- Hindenburg5: Nationaal Archief via Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0
- Hindenburg6: ZMF via Wikimedia Commons | CC BY-SA 4.0 International
- GrafZeppelinTarapoto: Thurm-Verlag | All Rights Reserved
- Hindenburg1: Wikimedia Commons | Public Domain Mark 1.0