Berglandschaft bei Sonnenaufgang mit einem Gipfelkreuz auf einem felsigen Vorsprung, umgeben von Nebel und mehreren Bergketten im Hintergrund.

Riesengebirge und Schneekoppe: Preußens alpines Urlaubsparadies

Zwischen den Weltkriegen und auch schon davor gehörte das Riesengebirge zu den beliebtesten Ferienregionen Mitteleuropas und Deutschlands. Insbesondere Ski- und Wanderfreunde aus Berlin zog es ins Riesengebirge. „Frühstück in Berlin, Kaffee auf der Schneekoppe“ hieß das Motto. (Dank der 1603 Meter hohen Schneekoppe gilt das Riesengebirge als Hochgebirge.) Bis nach Hirschberg (poln. Jelenia Góra), dem Tor zum Riesengebirge, brauchte die Eisenbahn nicht viel mehr als drei Stunden. Damit ist’s leider vorbei. Heute ist man mit der Bahn doppelt so lange wie vor dem Krieg unterwegs. (Die Reise lohnt sich trotzdem.)

Die wechselvolle Geschichte einer Grenzregion

Vor dem 1. Weltkrieg teilten sich das Deutsche und das Habsburger Reich das Riesengebirge, nach dem 1. Weltkrieg Deutschland und die neugegründete Tschechoslowakei. Nach dem Verlust der deutschen Ostgebiete nach dem 2. Weltkrieg liegt das Riesengebirge teils auf polnischem, teils auf tschechischem Gebiet. Spuren seiner deutschen Geschichte sind noch deutlich zu erkennen.

Gruppe von Menschen in Winterkleidung auf traditionellen Holzschlitten in einer verschneiten Landschaft, umgeben von kahlen Bäumen und schneebedeckten Hügeln.
Winterfreuden im Riesengebirge (1903)

In den Nachkriegsjahren verfielen aufgrund mangelnder Wartung viele der alten Bauden, Wanderwege, Sprungschanzen und Rodelbahnen. Später entstanden sowohl auf der polnischen als auch der tschechischen Seite moderne Skigebiete mit Loipen und Liften. Für die DDR-Bürger, für die bis 1989 die Alpen unerreichbar waren, wurde das Riesengebirge zum „Chamonix des Ostens“.

Ein Maler machte das Riesengebirge zum Sehnsuchtsort

Bereits im Königreich Preußen war das Riesengebirge Ziel von Dichtern und Malern, die sich von seiner mystischen Erhabenheit inspirieren ließen. Caspar David Friedrich zog das „magische Licht“ so sehr an, dass er sich 1810 von Dresden zu Fuß zur Schneekoppe aufmachte und die Schönheit des Gebirges in unvergänglichen Meisterwerken einfing. Johann Wolfgang von Goethe bereiste bereits zwanzig Jahre zuvor die Region („In der Dämm’rung des Morgens den höchsten Gipfel erklommen“), wobei den Dichter nicht nur Licht und Landschaft angelockt hatten, sondern wohl auch die Aussicht auf ein Zusammensein mit seiner heimlichen Geliebten.

Schloss umgeben von dichten Wäldern mit Bergen im Hintergrund, im Vordergrund ein kleines Fachwerkhaus und gepflegte Gärten unter einem leicht bewölkten Himmel.
Fischbach um 1850. Heute ist das Schloss ein aufwendig restauriertes Hotel

1822 erwarb Prinz Wilhelm von Preußen das unweit vom Riesengebirge und der Stadt Hirschberg gelegene Wasserschloss Fischbach. Prinz Wilhelm verbrachte auf dem Schloss mit Ehefrau und Kindern die warme Jahreszeit und machte das Hirschberger Tal zu einem gesellschaftlichen Treffpunkt der europäischen Aristokratie. Auch König Friedrich Wilhelm III. und seine Gattin Königin Louise waren öfter auf Schloss Fischbach zu Gast. Für die Region war das der Ritterschlag und der Beginn des Baus weiterer Schlösser des Adels und prachtvoller Sommersitze Berliner Industrieller. Die Region rückte damit auch ins Visier erholungsuchender Städter. Die Sagen und Mythen, von denen die Einheimischen berichteten, erwiesen sich dabei für den aufkommenden Tourismus als sehr hilfreich: Die dunklen Laub- und Nadelholzwälder und die von Eiszeit und Erosion geformten bizarren Felsenlandschaften seien das Reich eines geheimnisumwitterten Berggeistes, hieß es. „Rübezahl“ wurde zum Markenzeichen des Riesengebirges.

Wenig bekannt ist, dass der Dichter, Journalist und Reiseschriftsteller Theodor Fontane nicht nur seine „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ genoss, sondern auch seine Streifzüge durch das Riesengebirge. Zehnmal reiste er dorthin, in Krummhübel blieb er sogar mehrere Monate. „Es ist wundervoll und ich bin voller Dank, dass ich mit 65, wo doch die meisten sehr klapprig sind, noch so viele schöne Tage hier verleben kann“, schrieb er 1884 an eine Freundin. Das schlesische Riesengebirge war auch ein Schauplatz seines letzten Romans („Die Poggenpuhls“, erschienen 1896).

Der Beginn des modernen Tourismus

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begannen Gebirgsvereine auf der deutschen und auf der österreichischen Seite die touristische Infrastruktur des Riesengebirges weiter auszubauen und familienfreundlicher zu gestalten. In der Folge wurden aus einfachen Gebirgsbauden schmucke Herbergen mit komfortablen Übernachtungsmöglichkeiten.

Gruppe von Männern in traditioneller Kleidung trägt große Körbe auf dem Rücken, steht auf einer Wiese vor einem bewaldeten Hügel mit einer Bergspitze im Hintergrund.
Koppenträger auf der Koppenplatte (um 1920)

Auch Gäste, die bislang lieber die Aussicht auf das Gebirge vom Tal aus bevorzugten, wagten jetzt den Aufstieg auf die Schneekoppe. Wem der Fußmarsch zu anstrengend war, konnte sich noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Korb auf dem Rücken eines „Koppenträgers“ nach oben befördern lassen. Koppenträger waren schwere Lasten gewohnt. Das gesamte Baumaterial für die 1900 eingeweihte Wetterwarte auf der Schneekoppe wurde von ihnen hochgeschleppt. Bis zu 100 kg wogen die vollgepackten Koppen, und die zu bewältigende Strecke bis zum Gipfel betrug sechs Kilometer.

Berggipfel mit einer Gruppe von historischen Gebäuden, darunter ein Observatorium, eine Kirche und Wohnhäuser, alle aus Holz, mit einem Wanderweg im Vordergrund und einem wolkigen Himmel im Hintergrund.
Observatorium und Wetterstation auf dem Gipfel (um 1920)

In den Wintermonaten vergnügten sich die Gäste bei Ausflügen mit den bergauf von Pferden gezogenen Hörnerschlitten. Von oben ging es dann mit Karacho und Juchhe talwärts. 1880 tauchten zum ersten Mal, zunächst belächelt und dann bewundert, Skifahrer mit ihren aus Norwegen importierten Brettern auf, und 1906 wurde bei Spindlermühle die erste Sprungschanze eingeweiht. Bis zu 20 m flogen die mutigen Wintersport-Pioniere!

Schneebedeckte Berglandschaft mit tiefen Tälern und bewaldeten Hängen, teilweise von Wolken bedeckt, unter einem blauen Himmel.
Lanovka nach Obřák (Tschechien, 2021)

In den 1920er Jahren war das Riesengebirge als Fremdenverkehrsregion vollends etabliert. Hier entstanden die ersten Wintersportzentren Europas, begünstigt durch die schneesichere Lage. Bis zu einem halben Jahr sind die Berge von manchmal meterhohem Schnee bedeckt. (So war es zumindest bis jetzt.) Auf den Pisten, Bobbahnen oder Skisprungschanzen wurden nationale und internationale Meisterschaften ausgetragen, wobei die meisten Sieger nicht aus Norwegen oder den Alpenländern stammten, sondern aus den schlesischen (deutschen) und den böhmischen (tschechischen) Orten.

1923 brachte die Inbetriebnahme der „Zackenbahn“ von Hirschberg (Jelenia Góra) nach Schreiberhau (Szklarska Poręb) und Grünthal/Polaun (Kořenov) dem Fremdenverkehr erneuten Aufschwung. Die Bahn entlang des Flusses Zacken war eine der ersten elektrifizierten Zugstrecken Deutschlands.

Historische Eisenbahn fährt durch eine verschneite Landschaft, umgeben von Bäumen und Hügeln, mit Berggipfeln im Hintergrund unter einem bewölkten Himmel.
Die Zackenbahn (Triebwagen ET 89 „Rübezahl“)

Für die Sommergäste gehörte die Besteigung der Schneekoppe schon fast zum Pflichtprogramm. Schon um 1900 zählte der Berg 50.000 Besucher jährlich. Wie auch heute noch ging es vom Melzer Grund oder von der kleinen Teichbaude zunächst zur Hochebene des Koppenplans. Von hier stieg man die letzten zweihundert Meter auf einem zickzackförmigen Weg in etwa 45 Minuten auf den Gipfel. An dem fantastischen Rundblick von dort oben hat sich wenig geändert. Weit unten liegen das Hirschberger Tal, die kleine Stadt Krummhübel (poln. Karpacz) und weite Wiesen, von Mooren und Teichen unterbrochen. Viele der heutigen Touristen bevorzugen es allerdings, sich vom Sessellift auf den Gipfel bringen zu lassen, obwohl der Aufstieg durchaus auch für Unsportliche machbar ist.

Winterliche Stadtlandschaft mit schneebedeckten Gebäuden und umliegenden Feldern, im Hintergrund schneebedeckte Berge unter einem klaren blauen Himmel.
Hirschberger Tal (heute)

Trotz des gut ausgebauten Wegenetzes ist das Riesengebirge wegen seines alpinen Charakters auch für ambitionierte Wanderer kein ganz ungefährliches Terrain. Das Wetter kann sich schlagartig ändern; auch im Sommer ist mit plötzlichem Nebel zu rechnen, im Winter mit Lawinen.

Heute ist das Riesengebirge für Gäste aus Deutschland und den Niederlanden das ganze Jahr hindurch wieder ein beliebtes Urlaubsziel. Über zwei Millionen Besucher zählt jährlich die Schneekoppe, und die meisten würden dem Urteil des Naturforschers Alexander von Humboldt sicher zustimmen: „Die Schneekoppe ist für mich einer der hundert schönsten Orte der Erde.“

Idyllisches Dorf in hügeliger Landschaft mit verstreuten Häusern und einer Kirche, umgeben von grünen Wiesen und Wäldern, mit schneebedeckten Bergen im Hintergrund unter einem leicht bewölkten Himmel.
Blick von Krummhübel (poln. Karpacz) zur Schneekoppe (um 1900)
Reisen damals-Reisetipp: Besuch von Breslau und Krakau
Eine sehr gute Ausgangsbasis für Wanderungen im Riesengebirge ist Karpacz, das mit dem Auto von Görlitz oder Dresden aus in ca. 1,5 Stunden zu erreichen ist. Karpacz, das ehemalige Krummhübel, zählt zu den reizvollsten Städten des Riesengebirges. Ganz in der Nähe befindet sich der Zugang zum Nationalpark Riesengebirge. Wenn es Ihre Zeit erlaubt, sollten Sie von Karpacz aus einen Abstecher nach Breslau und Krakau einplanen:
Von Karpacz sind Sie in rund zwei Stunden in Breslau und in weiteren drei Stunden in Krakau. Hier empfiehlt sich mindestens eine Übernachtung, und zwar möglichst in der Altstadt. Anders als die meisten polnischen Städte wurde Krakau im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört und dokumentiert damit vollständig die europäische Baugeschichte von der Romanik bis zum Jugendstil, mit besonders vielen Baudenkmälern aus der Gotik und der Renaissance. Die mittelalterliche Kernstadt, der Wawelhügel-Komplex mit Königsschloss und Kathedrale gehören zum UNESCO-Weltkulturerbe. Krakaus historisches jüdisches Viertel ist das kreative Kazimierz. Heute gibt es hier eine bunte Mischung aus unabhängigen Galerien, ausgefallenen Geschäften, Vintage-Modeläden, Bars und Kneipen.
Belebter Marktplatz mit historischen Arkaden,
Krakau, die Tuchhallen am Hauptmarkt

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