Karawane in der Wüste

Rudolf Hellgrewe: Der Kolonialmaler, der das Fernweh weckte

Elefantenherden in der afrikanischen Savanne, Großwildjäger mit Dutzenden schwarzer Träger, Kamelkarawanen in der Wüste, Palmen am türkisblauen Meer, Menschen in farbenprächtigen Gewändern, Löwenrudel auf Beutezug – mit derartigen Bildern begeisterten die sogenannten Kolonialmaler die Bevölkerung des Kaiserreichs. Abenteuerliche Reisen in ferne Länder waren für die meisten Menschen unmöglich; sie konnten nur davon träumen. Reisebücher und -bilder sowie Zoologische Gärten oder „Völkerschauen“ wie die Berliner Kolonialausstellung von 1896 dienten als Ersatz für die unerfüllten Wünsche.

Insel mit Strohhütten
Dorf auf den Palauinseln, West-Karolinen (Gemälde von Rudolf Hellgrewe).
Dorf in Afrika
Dorf bei Bismarckburg, Togo (Gemälde von Rudolf Hellgrewe).

Rudolf Hellgrewes Reisen durch Deutsch-Ostafrika

Prominentester Vertreter der Kolonialmalerei war der Berliner Rudolf Hellgrewe (1860 bis 1926). Seine naturgetreuen bildlichen Darstellungen hingen als Gemälde oder Kunstdrucke in Salons und Wohnzimmern, dienten als Anschauungsmaterial für den Schulunterricht und warben für Schokolade, Suppen und Zigaretten. Anfang des 20. Jahrhunderts waren es in Deutschland mehr als 150 Firmen, die mit ihren Kolonialsammelbildern den Verkauf ihrer Produkte anheizten – eine willkommene Propaganda auch für die kolonialpolitischen Ziele des Deutschen Reichs.

Hellgrewe, der 1885 und 1886 Deutsch-Ostafrika bereist hatte, gehörte mit zu den Befürwortern einer extensiven Kolonialpolitik. („Der Erwerb von Kolonien – für das Deutsche Reich ein Gebot nationaler und kultureller Pflicht“.) Er war Mitbegründer des Deutschen Kolonialmuseums und gestaltete 1903 das Deutsche Kolonialhaus in Berlin mit einer kolonialinspirierten Innenausstattung. Heute ist Hellgrewe fast vergessen, genauso wie der bedeutendste deutsche Tiermaler dieser Zeit, Wilhelm Kuhnert.

Wilhelm Kuhnert – Illustrator, Maler und Autor

Der Spitzname von Wilhelm Kuhnert (1865 bis 1926) lautete „Löwen-Kuhnert“. Lieblingsmotiv waren Löwen, die er auf seinen Reisen nach Afrika zeichnete. Wie die Bilder von Hellgrewe hingen auch seine Gemälde vorwiegend in den Wohnräumen des Bürgertums und nur selten in den Museen. Kuhnert trug auch zahlreiche Illustrationen zu „Brehms Tierleben“ bei und verfasste Bücher über seine Reisen nach Afrika, Ägypten und Indien.

Löwen in der Wüste
Löwenpaar in der Steppe (1905). Gemälde von Wilhelm Kuhnert
Elefanten in der Steppe
Elefanten auf der Wanderung (1905). Gemälde von Wilhelm Kuhnert

Der Beginn der Studienreise mit der Kamera

Mit Aufkommen der Farbfotografie Anfang des 19. Jahrhunderts verlor die naturromantische realistische Malerei an Bedeutung. Die beiden unteren abgebildeten „echten“ Farbfotos (keine, wie bis dahin üblich, Illustrationen oder kolorierten Schwarzweiß-Fotos) der Völker und Landschaften deutscher Kolonien in Afrika und der Südsee stammen aus dem zweibändigen Werk „Die Deutschen Kolonien“ von 1910.

Afrikaner vor traditioneller Hütte
Bemaltes Haus auf Palau (West-Karolinen)
Traditionelles Dorf in Tansania
Straße in Daressalam (Deutsch-Ostafrika)

„Die deutschen Kolonien“, das Coffee Table Book der Kaiserzeit

Auf drei Expeditionen in Afrika und der Südsee fertigte ein Stab renommierter „Lichtbildkünstler“ und Maler unter der Leitung von Major a. D. K. Schwabe um 1908/09 die ersten Farbbilder der Völker und Landschaften der deutschen Kolonien an – „251 lebenswahre Farbenphotographien nach der Natur“. Das großformatige zweibändige, aufwendig gedruckte Werk erschien 1910 und wurde „wohlhabenden Kreisen“ zum Preis von 440 Reichsmark angeboten. In heutiger Kaufkraft wären das über 2.000 Euro. Beide Bände (Bd. I: Togo, Kamerun, Deutsch-Südwestafrika, Bd. II: Deutsch-Ostafrika, Kaiser-Wilhelmsland und die Inselwelt im Stillen Ozean, Samoa, Kiautschou) sind heute im Antiquariat so gut wie vergriffen.

Reisen damals-Lesetipp: „Mit der Tram in die Kolonien des Kaisers“
Im Buch „Mit der Tram in die Kolonien des Kaisers. Die Gewerbe-und Kolonialausstellung von 1896 in Berlin“ von Horst Kleinert, erschienen im Thurm-Verlag, Lüneburg, sind fünfunddreißig Farbfotos aus „Die deutschen Kolonien“ wiedergegeben (139 Seiten, € 19,80).
www.thurm-verlag.de
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