Oase mit Palmen

Abenteuer am Nil. Die preußische Ägyptenexpedition 1842 bis 1845

1842 bricht eine preußische Expedition an den Nil auf, um die antiken Denkmäler der ägyptischen Kultur zu dokumentieren und Objekte für das sich im Aufbau befindende Berliner Ägyptische Museum zu sammeln. Die Ausstellung „Abenteuer am Nil. Preußen und die Ägyptologie 1842-1845“ in Berlin eröffnet einen neuen Blick auf diese legendäre Reise des kleinen Forscherteams um den 32 Jahre alten Wissenschaftler Richard Lepsius.

Gemälde einer feiernden Gruppe auf einer Pyramide
Lepsius auf dem Gipfel der Cheops-Pyramide

Anders als die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Reiseagenturen wie Thomas Cook organisierten Bildungsreisen war eine Expedition entlang des Nil in den 1840er Jahren ein abenteuerliches Unterfangen. Die Forscher übernachteten an Bord von Nil-Segelschiffen, in Tempelruinen, Gräbern oder einfachen Zelten, wurden malträtiert von Flöhen und Wanzen, mussten lange Strecken zu Fuß, auf Dromedaren und störrischen Eseln zurücklegen und immer auf der Hut vor räuberischen Beduinen sein.

Gemälde Ausgrabung in Aegypten mit Palmen

Alexandria ist der Ausgangspunkt für die 6550 km lange Reise. Von dort aus bewegt sich die Expedition mit Nilschiffen, Eseln und Dromedaren nach Süden bis in die Gegend von Sennar am Blauen Nil. Ihre wichtigsten Stationen sind Gisa und Saqqara mit den Pyramidenfriedhöfen des Alten Reichs, die Tempellandschaft Thebens, die Insel Philas und Nubien, die alte Kulturlandschaft südlich von Assuan bis Khartum. Zehn Männer – aus Preußen, England und der Schweiz – bilden den Kern der Expedition, ergänzt durch zahlreiche Ortskräfte. Diese helfen im Alltag, besorgen Dromedare, Schiffe, Lebensmittel und Feuerholz.

Am 9. November 1842 siedelt die Gruppe von Kairo nach Gisa in ein Zeltlager am Fuß der großen Pyramiden über. Die Teilnehmer feiern mit Gästen am 15. Oktober 1842 den Geburtstag des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV., des Förderers und Financiers der Expedition, auf der Spitze der Cheops-Pyramide und hissen eine preußische Flagge.

Gemälde einer feiernden Gesellschaft auf der Cheops-Pyramide
Die Expedition feiert den Geburtstag König Friedrich Wilhelm IV. auf dem Gipfel der Cheops-Pyramide am 15. Oktober 1842

Strapazen, Sandstürme und ein Überfall

Ihre ersten Monate im Feld verbringen sie in Gisa und erleben dort die bittere Kälte und Feuchtigkeit des ägyptischen Winters. Das Leben in Zelten ist unkomfortabel, da sie bei so manchem Sandsturm zusammenbrechen, Sand dringt überall ein. Sie müssen eng zusammenrücken und gegenseitig Rücksicht nehmen. Sie überstehen glücklich die ersten Krankheitsfälle und einen Starkregen, der ihr Lager zum Teil zerstört.

Gemälde Ruinen in der Wüste

In Saqqara und im angrenzenden Abusir dokumentiert die Expedition in drei Monaten 31 Gräber. Die Anzahl ist so gering, weil Saqqara unter bis zu 15 m hohen Sandanwehungen verschüttet ist. Da sich die Expedition in Saqqara ebenso sicher wie in Gisa fühlt, stellen sie keine Wächter an. In der Nacht vom 10. auf den 11. April 1843 kommt es zum Überfall auf das Zeltlager – die Zelte brechen über den schlafenden Mitgliedern zusammen, Schüsse fallen, sie fürchten um ihr Leben. Am Ende sind nur einige Sachen entwendet worden.

Gemälde einer Pyramiden-Ruine in der Wüste
Pyramiden von Meroe
Gemälde von riesigen Pharaonen Staturen in der Wüste
Ansicht der Kolosse Amenophis III.

In Theben begegnen die Expeditionsteilnehmer erstmals den riesigen Tempelbauten des Neuen Reichs. Sie erforschen den Karnak- und Luxortempel auf der Ostseite des Nil und die Totentempel, Privat- und Königsgräber auf der Westseite. Diese Leistung ist umso höher zu bewerten, als viele Baudenkmäler noch meterhoch mit Sand bedeckt waren und erst freigelegt werden mussten.

Durch die Nubische Wüste zum Blauen Nil

Im Februar 1844 trennt sich das Team in Khartum. Lepsius fährt mit einem Begleiter auf der Suche nach weiteren unbekannten antiken Stätten 280 km den Blauen Nil aufwärts bis hinter Sennar. Als „diplomatisches Geschenk“ einer nubischen Prinzessin wird ihnen eine Sklavin angeboten. Lepsius lehnt dankend ab, da „dieses gegen unsre Sitte sei, doch würde es keine Schwierigkeiten machen, wenn sie statt einer Sklavin einen Sklaven wählen wollte, und nach Beseitigung einiger Bedenklichkeiten, weil ihr dies weniger anständig erschien, sendete sie mir wirklich einen jungen Sklaven, der mir in das Schiff gebracht wurde.“  (Vermutlich begleitete der Sklave Richard Lepsius bis zu seiner Rückfahrt nach Preußen.)

Gemälde eines Europäers auf einem Kamel
Richard Lepsius in türkischer Tracht, etwa Juli 1845. Hinter ihm sitzt der Sklave.

Nach drei Jahren treten die ersten Teilnehmer im Juli 1845 die Rückreise nach Europa an. Trotz der körperlichen Belastung und des Heimwehs haben sie die abenteuerliche Reise gut überstanden.

Gemälde altertümliche Stadt in der Wüste

Alle Abbildungen von Denkmälern und Landschaften (ohne Ortsangaben) aus Ägypten und Äthiopien entstanden nach den Zeichnungen der königlich-preußischen wissenschaftlichen Expedition.

Die Öffentlichkeit entdeckt in Berlin das antike Ägypten

Die Reise stand unter einem guten Stern: Die politische Lage war ruhig, die Reise exzellent vorbereitet und ausfinanziert. Der in Ägypten regierende Mehmet Ali Pascha unterstützte die Expedition im Lande in jeder Weise.

Lepsius blieb länger in Ägypten, um den Rücktransport des Gepäcks zu organisieren. Am 1. Oktober 1845 verließ auch Lepsius Ägypten mit einem persönlichen Dankesbrief von Mehmet Ali Pascha an Friedrich Wilhelm I. Dieser legalisierte die Ausfuhr als persönliches Geschenk des Paschas an den preußischen König. Nach der Rückkehr hieß es, die Aufzeichnungen auszuwerten und das Ägyptische Museum einzurichten. Richard Lepsius erhielt 1846 durch königliche Order die erste ordentliche Professur für Ägyptologie an der Berliner Universität.

Gemälde eines ägyptischen Hofes mit Säulen
Neues Museum, Ägyptischer Hof (Lithografie von 1862)

Über 7400 Papierabdrücke, 1300 Zeichnungen und Gipsabgüsse von ägyptischen Denkmälern, dutzende Skizzen- und Notizbücher und 1900 antike Objekte waren am Ende der Reise das erstaunliche Resultat. Nur vier Jahre nach Rückkehr erschien die Publikation „Denkmaeler aus Aegypten und Aethopien“ in 12 Bänden.
Quelle: Ausstellung „Abenteuer am Nil“ (Presseinformation), Staatliche Museen zu Berlin

Ausstellungsprospekt
Reisen damals-Tipp: Abenteuer am Nil (Ausstellung und Begleitbuch)

„Abenteuer am Nil. Preußen und die Ägyptologie 1842 bis 1845.“ Eine Sonderausstellung des Ägyptischen Museums im Neuen Museum, Museumsinsel, Bodestraße 1, 10178 Berlin, vom 15.10 2022 bis 7.3.2023.
www.smb.museum/ausstellungen

Begleitbuch zur Ausstellung: S. Grallert / J. Helmbold-Doyé (Hrsg.), Abenteuer am Nil. Preußen und die Ägyptologie 1842 bis 1845, Kulturverlag Kadmos, Oktober 2022, 480 Seiten, 300 farbige Abbildungen, 49,80 EUR.
Der Katalog bietet einen umfassenden Einblick in den historischen Kontext der Forschungsreise, porträtiert ihre Protagonisten und beleuchtet die bis heute andauernde Wirkungsgeschichte.
Blick ins Buch unter www.kulturverlag-kadmos.de  
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Auch nach Ausstellungsende lohnt sich ein Besuch des Ägyptischen Museums. Es beherbergt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen der ägyptischen Hochkultur, die Statuen, Reliefs und Kleinkunstobjekte aus sämtlichen Epochen der altägyptischen Geschichte umfasst. Als bekanntestes Ausstellungsstück und Publikumsmagnet gilt die 1920 von James Simon übereignete Büste der Nofretete. Das Schicksal der „schönsten Berlinerin“ ist ungewiss. Die Stimmen, die die Rückgabe an Ägypten fordern, werden zahlreicher.

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