Foto Kronprinz Rudolf

Kronprinz Rudolfs Reise in den Orient

Wie bei seiner Mutter, der österreichischen Kaiserin Elisabeth („Sisi“), kannte auch Kronprinz Rudolfs Reiselust buchstäblich keine Grenzen. Doch anders als bei der unsteten, ruhelosen Sisi, war es nicht die Flucht vor den Zwängen des Wiener Hofs, die ihn in die Ferne zog, sondern Wissensdurst und Neugier. Nach einer freudlosen, ja grausamen Kindheit ohne die Fürsorge seiner Mutter genoss er eine wissenschaftlich orientierte Ausbildung, die in ihm ein großes Interesse für die Pflanzen- und Tierwelt weckte, insbesondere für die Ornithologie. Der Tierforscher und Bestseller-Autor („Brehms Tierleben“) Alfred Brehm wurde zu seinem Mentor.

In seinen jungen Jahren hatte er nur wenig offizielle Aufgaben am Hof, und so reifte in ihm der Wunsch in den Orient reisen. Es traf sich gut, dass das Habsburger Reich aus geopolitischen und wirtschaftlichen Gründen im Nahen Osten stärker Flagge zeigen wollte. So stimmte Kaiser Franz Joseph den Plänen seines Sohns zu und bewilligte so üppige „Reisespesen“, dass Rudolf bestens ausgerüstet und mit einer großen Entourage im Herbst 1881 zu seiner Orientreise aufbrechen konnte. Von Triest fuhr er nach Alexandria und Kairo, dann ging es mit dem Dampfer nilaufwärts bis Assuan und danach nach Palästina zum Besuch der heiligen Stätten der Christenheit.

Gemälde altes Palästina
Ankunft in Palästina (Jaffa)

Die dreimonatige Studien-, Jagd- und Pilgerreise des Kronprinzen endete im Mai 1882 wieder im Hafen von Triest. Viel Zeit für Muße bot das dichtgedrängte Programm, das er absolvierte, nicht.

Kronprinz Rudolf führte während der Reise ein Tagebuch, das er nach seiner Rückkehr in Form eines Reiseberichts veröffentlichte. Einige Bilder und hier gekürzt wiedergegebene Auszüge vermitteln einen Eindruck, wie die Orientreise verlief. (Quelle: „Eine Orientreise vom Jahre 1881“, beschrieben vom Kronprinzen Rudolf von Österreich, illustriert mit Holzschnitten nach Original-Zeichnungen von Franz von Pausinger, Kaiserlich-Königliche Hof- und Staatsdruckerei Wien, 1885.

Reiseimpressionen aus Ägypten

„Die Pyramiden von Gizeh beschreiben, hieße eine unzählige Mal schon verfasste Schilderung nachplappern. Sie gehören in den Bereich der Reisehandbücher, der abgetretensten Touristenwege. Die Pyramiden machten auf mich, besonders wenn Menschen und Tiere auf denselben kletterten, den Eindruck eines künstlichen Hochgebirges und keineswegs jenen eines architektonischen Baudenkmales.“

Gemälde Schakaljagd
Schakaljagd auf den Pyramiden

„An dem Landungsplatze von Girge, unter hohem staubigen Ufer legten wir an, um da die Nacht zu verbringen. Nach dem Speisen leistete die Reisegesellschaft einer Einladung eines reichen Kopten Folge. Nach einer engen, steilen Stiege waren die halb europäisch, halb morgenländisch eingerichteten Zimmer erreicht. Kaum dass wir uns alle niedergesetzt hatten und zu rauchen begannen, als auch schon die Musikbande eintrat. Als die ersten Akkorde erklangen, erschienen auch schon Tänzerinnen in ihren langen, knapp anliegenden, bunten Gewändern mit hoher Taille, den Münzenschmuck um den Hals, das Gesicht natürlich nicht verschleiert. Unter Drehungen, Verbeugungen und eben nicht ungraziösen Bewegungen beginnt der Tanz, dessen ganzen Verlauf zu schildern mir die Schicklichkeit verbietet; es ist eine Orgie, die sich meiner Ansicht nach aus dem an derlei krankhaften Entartungen der Phantasie reichen Altertum erhalten hat. Nach kurzem Aufenthalt kehrten wir abermals durch die Stadt nach unserem Schiffe zurück, um die wohlverdiente Ruhe aufzusuchen.“

Gemälde Tänzerin

„Am 2. März wurde mit Tagesanbruch die Reise fortgesetzt. Die Vormittagsstunden verlebten wir am Verdeck, die schönen, doch wenig Abwechslung bietenden Landschaften betrachtend. Grüne Felder, Dum- und Dattelpalmenhaine, einzelne kleine Städte und die das Niltal einsäumenden Hochgebirge glitten im ununterbrochenen Einerlei an uns vorüber.“

Gemälde altes Palästina
Fellach-Dorf mit Taubenhäusern bei Abydus

„Schon von weitem wurden die hochragenden Tore, Säulen und Mauern der berühmten Ruinen von Karnak sichtbar, die sich inmitten des Kulturlandes neben einem üppigen Palmenwald erheben. Nachdem wir die weiten Räume, den Wald von Ruinen und Säulen sowie die Schutthaufen der großen Tempelanlagen durchstöbert hatten, kehrten wir alle auf demselben Wege nach Luxor zurück. Während wir noch am Platze die Denkmäler betrachteten, strömten aus den Gassen die gewinnsüchtigen Araber mit Ausgrabungen, meist kleinen, gefälschten Antiquitäten, auf uns zu, ihre Waren in der lästigsten Weise aufdrängend. Auf die energischste Weise musste man sich der zudringlichen, kreischenden und lebhaft gestikulierenden Menschenmenge erwehren.“

Gemälde altes Palästina
Tempel von Karnak

Die letzten Reisen des Kronprinzen . . .

Zurück in Wien gilt seine Sorge der Zukunft des Habsburger Kaiserreichs. Er tritt für mehr Selbstständigkeit der unter der österreichisch-ungarischen Krone vereinten Nationen ein, vermeidet aber in dieser Frage den Konflikt mit seinem erzkonservativen Vater Kaiser Franz Joseph. Mit seiner Ehefrau Stefanie von Belgien unternimmt der liberale Freigeist 1884 „in friedlicher Mission“ noch eine größere Reise nach Belgrad, Konstantinopel, Bulgarien und Rumänien.  Für Stefanie wird diese „prachtvolle Reise mit den schönsten Erinnerungen meines Lebens“ verbunden sein.

. . . und sein tragisches Ende

Am 30. Januar 1889 tritt der 31jährige Thronfolger seine finale Reise an. Im Jagdschloss Mayerling in Niederösterreich erschießt der an einer Depression leidende Rudolf erst seine junge Geliebte Mary Vetsera und dann sich selbst.  Sein Tod gilt als Symbol für den Niedergang der Habsburger Doppelmonarchie. Neuer Thronfolger wird sein Cousin Erbprinz Franz Ferdinand.

Reisen damals-Lesetipp: Kronprinz Rudolfs Reisebericht
Im Projekt Gutenberg-DE ist unter dem Titel „Zu Tempeln und Pyramiden“ der hochinteressante Bericht Rudolfs über seine Orientreise als Volltext-Datei abrufbar.
www.projekt-gutenberg.org/rudolfvh/zutempel/zutempel.html
Gemälde Pyramiden

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